(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
§ 226 StGB ist eine Erfolgsqualifikation des § 223 StGB. Zunächst muss also eine vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 I begangen werden. Darüber hinaus ist erforderlich, dass ein besonders schwerer Erfolg im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 1- 3 eintritt.
Nr. 1 Alt. 1 Verlust des Sehvermögens auf einem Auge oder beiden Augen
Das Opfer muss das Sehvermögen auf mindestens einem Auge verlieren.
Von einem Verlust des Sehvermögens wird erst ausgegangen, wenn von dem Vermögen dauerhaft nur eine „wertlose Restfähigkeit“ bleibt. Dies tritt ein, wenn 5-10 % des normalen Sehvermögens vorliegen (OLG Hamm 30.3.1976- 5 Ss/ 76). Der Verlust der Fähigkeit erfüllt den Tatbestand nicht, wenn in überschaubarer Zeit eine Heilung oder operative Widerherstellung der Fähigkeit eintritt.
Die Verwendung technischer Sehhilfen, um so einen höheren Grad des Sehvermögens wiederherzustellen ist unbeachtlich und hat zur Folge, dass der Tatbestand trotzdem erfüllt wird.
Nr. 1 Alt. 2 Verlust des Gehörs
Der Gehörverlust muss auf beiden Ohren eintreten (MüKOStGB/ Hardtung StGB § 226 Rn. 23). Für die Intensität gelten die zuvor gemachten Ausführungen.
Nr. 1 Alt. 3 Verlust des Sprechvermögens
Das Sprechvermögen ist bereits verloren, wenn das Opfer zwar noch Laute von sich geben, aber nicht mehr Sprechen kann. Stummheit ist nicht erforderlich. Stottern fällt nicht unter den Verlust des Sprechvermögens. (Fischer Rn. 4.; LK-StGB/ Grünewald Rn. 10).
Nr. 1 Alt. 4
Es werden sowohl die weibliche als auch die männliche Fortpflanzungsfähigkeit geschützt. Unter diesen Fall fallen zum Beispiel die Zerstörung eines Hoden (BGH 12.2.1987- 4 StR 640/66) oder der Schuss auf ein Geschlechtsteil (BGH 7.2.1967- 1 StR 640/669)
Nr. 2 Verlieren oder dauerhafte nicht Gebrauchbarkeit eines wichtigen Körperglieds
Ein Körperglied ist ein Körperteil, das durch ein Gelenk mit dem Rumpf oder einem anderen Körperglied verbunden ist, so zum Beispiel Füße, Zehen oder Hände (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort „Glied“). Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung sind bei der Wichtigkeit eines Körperglieds solche individuellen Faktoren zu berücksichtigen, die in der körperlichen Konstitution des Opfers begründet sind. Für den Verlust eines Körpergliedes ist dessen Abtrennung nötig (BGH 3.5.1988- 1 StR 167/88, NJW 1988). Eine dauernde Unbrauchbarkeit liegt vor, wenn das Glied seine Funktion auf maßgebliche Zeit eingebüßt hat (Wessels/Hettinger/ Engländer Rn. 248).
Nr. 3 Alt. 1 Erhebliche dauernde Entstellung
Eine Entstellung liegt vor, wenn eine Person in ihrer ästhetischen Wirkung derart verändert ist, dass auf Dauer starke psychische Nachteile im Verkehr mit der Umwelt zu erwarten sind.
Die Entstellung ist erheblich, wenn sie ein Gewicht hat, dass der beeinträchtigenden Wirkung der sonstigen Folgen des § 226 StGB in etwa gleich kommt. Die Entstellung ist dauernd, wenn sie das Aussehen endgültig oder für einen unbestimmt langen Zeitraum beeinträchtigt.
Nr. 3 Alt. 2 Verfallen in Siechtum
Nach der Rspr. ist Siechtum ein Zustand, der „den Gesamtzustand der körperlichen und geistigen Kräfte des Verletzten erheblich beeinträchtigt“, „ein anhaltender („chronischer“) Krankheitszustand…, der das Allgemeinbefinden erheblich stört und ein Schwinden der Körperkräfte und Hinfälligkeit zur Folge hat“ (RG 30.9.1938- 1 D 715/38, RGSt 72, 345 (346)).
Nr. 3 Alt. 3 Verfallen in Lähmung
Lähmung ist die erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Bewegungsfähigkeit eines Körperteils, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen muss. Dazu gehören zum Beispiel die Lähmung des linken Armes und Beines aufgrund einer Gehirnverletzung (BGH 21.6.1968- 4 StR 157/68, BeckRS 1968, 31181729).
Nr. 3 Alt. 4 Geistige Krankheit oder Behinderung
Eine geistige Krankheit ist die Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit. Die geistige Behinderung ist eine starke Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten in Folge einer Störung der Gehirntätigkeit.
Vorsatz
Hinsichtlich des Grunddelikts des § 223 StGB ist bedingter Vorsatz erforderlich. Hinsichtlich der schweren Folge ist gemäß § 18 StGB zumindest Fahrlässigkeit erforderlich. Handelt der Täter wissentlich oder absichtlich greift die Qualifikation des Absatz 2.
Strafrahmen
Taten gemäß § 226 Abs. werden mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren bestraft. Im Falle des Absatz 2 kommt es zu einer Freiheitsstrafe, die nicht unter drei Jahren liegt. In minder schweren Fällen des Absatzes 1 wird die Freiheitsstrafe auf sechs Monate bis zu fünf Jahre verkürzt, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Versuch
Der Versuch ist strafbar.