Man mag den Eindruck haben, die schöne Online-Welt werde von Woche zu Woche rauer, weil manche Menschen es als ihr Hobby ansehen, andere Menschen im scheinbaren Schutz der Anonymität zu verunglimpfen. Hatespeech scheint hierfür der Fachbegriff geworden zu sein. Gegen diese anzukämpfen, hat sich der Frankfurter Oberstaatsanwalt Dr. Benjamin Kraus zum Ziel gesetzt, und weil es sich allein nicht gut kämpft, sogleich eine Anleitung für andere Strafverfolger verfasst, die es ihm gleichtun wollen.
Ein hoher Praxisbezug ist offenbar: Der Autor ist Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität in Frankfurt am Main. Als solcher kommt er ständig mit dem Phänomen der „Hate Speech“ in Berührung.
Das Werk teilt sich in vier Abschnitte. Auf phänomenologische Ausführungen zur Hate Speech (§ 1) folgt eine rechtsdogmatische Auseinandersetzung mit praxisrelevanten Straftatbeständen im Zusammenhang mit „Hate Speech“ (§ 2). Sodann erläutert Krause praxisrelevante Ermittlungen bei „Hate Speech (§ 3). Mustertexte für Ermittlungsmaßnahmen schließen das Werk ab (§ 4).
Für Verteidiger sind insbesondere die Ausführungen zur Begriffsbestimmung von „Hate Speech“, aber auch die Erläuterung praxisrelevanter Tatbestände, wie zum Beispiel die Darstellungen zu den Tatbeständen der Beleidigung (§ 185), Üblen Nachrede (§ 186) und Verleumdung (§ 187), ein hilfreiches Nachschlagewerk.
Die Mustertexte richten sich in erster Linie an Staatsanwaltschaften, Gerichte und Strafverfolgungsbehörden und dürften für diese Berufsgruppen einen großen Mehrwert aufweisen. Auch die Erklärungen zu Maßnahmen zur Identifizierung oder zur Sicherstellung internetfähiger Geräte helfen ihnen sicherlich.
Eine schnelle und einfache Begriffsfindung wird durch das umfangreiche Glossar – über acht Seiten – am Ende des Werks ermöglicht.
Der rechtsdogmatische Teil beschränkt sich nicht nur auf die aktuelle Rechtsprechung. Der Autor entwickelt an verschiedenen Stellen auch eigene Lösungsansätze für Probleme, die in der Rechtsprechung zum Teil noch nicht hinreichend gelöst worden sind, z.B. für den Beginn der Strafantragsfrist bei online Beleidigungen (Rn. 96) oder die notwendige Datensicherung für die strafrechtliche Würdigung von „Hate Speech“ (Rn 248 ff.).
Neben den praxisrelevanten Darstellungen wird auch auf den aktuellen „Kulturwandel bei Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der „Hate Speech“ eingegangen. In diesem Zusammenhang fordert Krause unter anderem eine stärkere Präsenz des Phänomens und kritisiert gleichzeitig die mangelnde Wirkung von Urteilen in der Gesellschaft: „Generalpräventive, abschreckende Wirkung hat allenfalls die Berichterstattung über ein Urteil, aber nie das Urteil für sich“ (Rn. 60). Generell stellt er einige polarisierende Thesen in diesem Abschnitt auf, um eine Diskussion über den Umgang mit „Hate Speech“ anzuregen.
Das Werk ist mit seinen 114 Seiten kurz, gibt aber trotzdem einen guten Einblick in die Materie der „Hate Speech“ und überzeugt durch seine klare und logische Struktur. Der Preis von 39,00 € erscheint vor diesem Hintergrund angemessen.
Krause, Benjamin: Hatespeech – Strafbarkeit und Strafverfolgung von Hasspostings. Beck 2022, 39,00€.