Offener Vollzug

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – Freiheitsstrafe und Haftverschonung

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, drei Monate lang 1 kg Kokainsteine und 18 kg Cannabis in seiner Wohnung zum Zwecke des überwiegend gewinnbringenden Weiterverkaufs verwahrt zu haben. Zudem habe unser Mandant einen Revolver, ein Gewehr, weitere halbautomatische Kurzwaffen und Munition verwahrt, ohne über die zum Umgang mit den Waffen sowie der Munition erforderliche waffenrechtliche Erlaubnis zu verfügen. Das Ermittlungsverfahren war eingeleitet worden, nachdem die Lebensgefährtin unseres Mandanten wegen des Vorwurfs der häuslichen Gewalt zweimal die Polizei gerufen hatte, die die Drogen in der Wohnung fand.

Unser Mandant wurde vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund eines Haftbefehls in Untersuchungshaft in der JVA Moabit.

Nach Mandatierung holte Rechtsanwalt Stern umgehend die Ermittlungsakten auf der Geschäftsstelle ab. Beim Durcharbeiten der Akten erkannte Rechtsanwalt Stern, dass die Beweislage eindeutig und auch eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe nicht mehr zu verhindern war. Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern versuchte daher, eine erträgliche Strafe und deren Verbüßung im offenen Vollzug zu erreichen.

Beim offenen Vollzug können sich die Gefangenen, im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug, innerhalb der Räumlichkeiten des Gefängnisses frei bewegen. Dabei sind die jeweiligen Haftzellen der Häftlinge nicht verriegelt und werden nicht nur zu bestimmten Zeiten aufgesperrt. Darüber hinaus können Inhaftierte auf Antrag auch einer Arbeit nachgehen oder Freigang bekommen. Die Lockerungen nehmen während der Vollstreckungszeit üblicherweise immer mehr zu.

Die Unterbringung in einer Anstalt des offenen Vollzugs ist an Bedingungen geknüpft. In der Regel gelangen nur Ersttäter und Verurteilte, die nach dem Urteil auf freiem Fuß sind, in den offenen Vollzug.

Zwar war unser Mandant nicht vorbestraft. Allerdings saß er aufgrund der vorgeworfenen Taten in Untersuchungshaft. Rechtsanwalt Stern suchte daher den für das hiesige Verfahren zuständigen Vorsitzenden Richter am Landgericht auf und einigte sich mit diesem im Falle eines Geständnisses neben einer erträglichen Freiheitsstrafe auch auf eine Haftverschonung, bei der der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird und somit spätestens mit Urteilsverkündung die Entlassung aus der Untersuchungshaft erfolgen kann.

Auch wenn am Hauptverhandlungstermin die Freiheitsstrafe und Haftverschonung bereits feststanden, wollte die Staatsanwaltschaft noch über 20.000 Euro von unserem Mandanten einziehen. Die Staatsanwaltschaft begründete die Einziehung damit, dass unser Mandant sicherlich prozentual am Wert der Drogen beteiligt gewesen sei. Rechtsanwalt Stern erwiderte darauf allerdings, dass unser Mandant lediglich eine geringe Monatspauschale in Höhe von 500 Euro, mithin insgesamt 1.500 Euro, für das Bunkern, Portionieren und Verpacken der Drogen sowie Verwahren der Waffen bekommen habe.

Im Ergebnis folgte das Gericht der Auffassung von Rechtsanwalt Stern und ordnete die Einziehung eines Betrags in Höhe von insgesamt 1.500 Euro an. Auch verurteilte es unseren Mandanten zu der vorher verhandelten Freiheitsstrafe und hob den Haftbefehl auf. Unser Mandant wurde im offenen Vollzug untergebracht.

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Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. November 2019 (2 StR 557/18) zwei Justizvollzugsbedienstete vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung nach Gewährung von Vollzugslockerungen freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Limburg hatten die in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten als Abteilungsleiter im Strafvollzug tätigen Angeklagten einem bereits vielfach wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Strafgefangenen offenen Vollzug und dort weitere Lockerungen in Form von Ausgängen gewährt, ihm u.a. aber auferlegt, kein Fahrzeug zu führen. Während eines Ausgangs hatte der Strafgefangene ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug geführt, war in eine Polizeikontrolle geraten und sodann geflüchtet. Dabei lenkte er trotz eines Rammversuchs durch die Polizei sein Fahrzeug bewusst auf die Gegenfahrbahn einer vierspurigen Bundesstraße und setzte dort seine Flucht als „Geisterfahrer“ fort, wobei ihm nunmehr die Polizei mit zwei Fahrzeugen auf gleicher Fahrbahn folgte. Er stieß mit dem Fahrzeug einer 21jährigen Frau zusammen, die ihren tödlichen Verletzungen erlag. Der Strafgefangene ist wegen dieser Tat u.a. wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 

Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dieses Urteil aufgehoben und die Angeklagten freigesprochen. 

Nach den rechtsfehlerfrei und umfassend getroffenen Feststellungen waren die Entscheidungen, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm weitere Lockerungen zu gewähren, nicht sorgfaltspflichtwidrig. Vollzugsbedienstete haben bei jeder Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit einerseits und dem grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse eines Strafgefangenen andererseits abzuwägen. Die Angeklagten haben hier auf einer den Landesbestimmungen für den Strafvollzug entsprechenden Entscheidungsgrundlage entschieden; Anlass, weitere Informationen einzuholen, bestand für die Angeklagten hier insoweit nicht. Sie haben – aus der maßgeblichen Sicht zum damaligen Zeitpunkt – alle relevanten für und gegen eine Vollzugslockerung sprechenden Aspekte berücksichtigt und den mit Entscheidungen über Vollzugslockerungen verbundenen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. 

Ob im weiteren Vollzugsverlauf den gebotenen Kontroll- und Überwachungspflichten ausreichend nachgekommen wurde, musste der Senat nicht entscheiden. Denn eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht in Betracht, wenn das zum Tod führende Geschehen so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegt, dass mit ihm nicht gerechnet werden kann oder muss. Der hier vom Landgericht erschöpfend festgestellte Fluchtablauf, bei dem der Strafgefangene auch das Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit verwirklicht hat, war in diesem Rechtssinne nicht vorhersehbar. 

Vorinstanz:  Landgericht Limburg – Urteil vom 7. Juni 2018 – 5 KLs 3 Js 11612/16

Quelle: PM des BGH vom 26. November 2019

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