Schuldunfähigkeit

Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte – Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage

Unserem Mandanten wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich im Rahmen einer vorläufigen Festnahme den Anordnungen von zwei Polizeibeamten widersetzt zu haben, indem er seine Arme versteift und trotz Fesselung versucht habe sich loszureißen. Auf dem Boden fixiert, habe er sich mehrmals hochgedrückt und mit den Füßen um sich getreten.

Hierdurch habe sich unser Mandant wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB und tätlichen Angriffs gemäß § 114 StGB strafbar gemacht.

Strafverteidiger Rechtsanawalt Stern nahm bei der zuständigen Geschäftsstelle Akteneinsicht und regte in einem Schriftsatz die Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 800,00 Euro an.

Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern trug vor, dass unser Mandant zum Tatzeitpunkt Einsichts- und steuerungsunfähig und mithin gemäß § 20 StGB schuldunfähig gewesen sei. Unser Mandant habe eine Psychose induziert durch vorherigen Cannabiskonsum erlitten und dabei die Kontrolle über sein Handeln verloren.  Sogenannte Intoxikationspsychosen können Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Angst- und Panikattacken, kognitiven Einbußen und Kommunikationsarmut hervorrufen.

Unser Mandant wies mehrere dieser Symptome auf. Zunächst habe er suizidale Gedanken gehabt und sich vom Balkon seiner in der fünften Etage befindlichen Wohnung in die Tiefe stürzen wollen. Seiner Frau und einem helfenden Nachbarn sei es gelungen, unseren Mandanten zu beruhigen und ihn zurück in die Wohnung zu holen. Aus Angst vor sich selbst habe unser Mandant daraufhin die Polizei rufen und Hilfe suchen wollen. Davon habe er jedoch abgesehen und sei stattdessen plötzlich in das Treppenhaus und auf die Straße gerannt.

Sodann sei unser Mandant orientierungslos durch die Straßen gelaufen und habe an verschiedenen Türen geklopft. Nach einigen hundert Metern sei er auf zwei Polizeibeamte getroffen, die ihn aufforderten, die Hände auf die Wand zu legen. Nach dem Anlegen der Handschellen habe unser Mandant jedoch ein weißes Licht gesehen, woraufhin er eine Panikattacke und Wahnvorstellungen entwickelt und geglaubt habe, demnächst getötet zu werden. An das weitere Geschehen könne unser Mandant sich nicht mehr erinnern.

Unser Mandant befand sich zum Zeitpunkt der Tat in einer psychotischen Episode und war folglich schuldunfähig.

Nach alledem sah das Gericht von einer Eröffnung der Hauptverfahrens ab und stellte das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und unseres Mandanten gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 800,00 Euro ein.

Die Einstellung hatte gegenüber einem möglichen Freispruch mangels Schuldfähigkeit den Vorteil, dass eine Begutachtung des Mandanten nicht erforderlich war, die insbesondere auch zu beruflichen Problemen hätte führen können. Auch wurde auf diese Weise eine Hauptverhandlung vermieden, zu der unser Mandant hätte erscheinen müssen.

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Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch – Band 1: §§ 1 – 37 – in 4. Auflage erschienen


Der Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch bietet mit seinen insgesamt sechs Bänden zum Strafgesetzbuch und drei weiteren Bänden zu den in der Praxis besonders relevanten Gebieten des Nebenstrafrechts eine ausführliche Kommentierung zu strafrechtlichen Fragen jeglicher Art.

Der erste Band des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch ist nun in bereits 4. Auflage unter Bandredaktion von Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg erschienen. Der Band enthält dabei zahlreiche Vorschriften, die sowohl in der juristischen Ausbildung als auch in der juristischen Praxis für ein grundlegendes Verständnis des Allgemeinen Teils des Strafrechts unabdingbar sind. Die Neuauflage von Band 1 umfasst die ersten beiden Abschnitte des Allgemeinen Teils, also Geltungsbereich, Unterlassen, Irrtum, Schuldunfähigkeit, Versuch, Täterschaft und Teilnahme, Notwehr und Notstand. Die Kommentierung wurde an zahlreichen Stellen durch die neuste Rechtsprechung und die dazugehörige aktuelle Literatur umfassend aktualisiert und berücksichtigt dabei alle wichtigen Entwicklungen des Strafrechts. Besonders intensiv wurden dabei die Themenbereiche Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum sowie Täterschaft und Teilnahme überarbeitet.


Die Kommentierung ist wie gewohnt inhaltlich herausragend, fundiert sowie sehr umfangreich und detailliert. Trotz großen Umfangs gelingt die Orientierung im Text gut. Die Kommentierung der einzelnen Normen des ersten Bandes ist so dargestellt, wie man es aus den anderen Bänden des MüKo kennt. Auf den fettgedruckten Gesetzestext der jeweiligen Vorschrift folgt – je nach Länge der Kommentierung – das vom Kommentator empfohlene Schrifttum und eine Inhaltsübersicht einschließlich der jeweiligen Randnummern. In der darauffolgenden ausführlichen Erläuterung des Gesetzestextes werden die relevanten Stichwörter hervorgehoben, sodass man den Überblick über den jeweiligen Abschnitt der Kommentierung behält. Darüber hinaus ist es besonders lobenswert, dass weiterführende Literatur in den Fußnoten angegeben wird und somit die gesamte Kommentierung einer Norm angenehm lesbar ist.

Der Band 1 des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch stellt – so wie die anderen Bände des MüKo – eine gelungene Kombination von Vollständigkeit und Praktikabilität dar. Das Werk bietet stets klare und praxisnahe Lösungsvorschläge für aufkommende Probleme an, wodurch dieser Band ein für den sorgfältig arbeitenden Juristen unverzichtbares Arbeitsmittel ist. Besonders hervorzuheben ist zudem, dass die Kommentierung die Vielseitigkeit juristischer Tätigkeiten im Strafrecht widerspiegelt. Unter den Kommentatoren sind Juristen aus der Wissenschaft und Lehre, der Rechtsanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft und der Richterschaft.

Auch wenn der Preis für den Band mit 339,00 € recht hoch sein mag (bei Abnahme aller Bände bekommt man einen erheblichen Rabatt), lohnt es sich der Erwerb dieses Bandes, zumal im Allgemeinen teil verortete Probleme häufiger auftauchen als man annimmt. Außerdem sieht’s im Regal blöd aus, wenn ein Band fehlt.

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch – Band 1 (§§ 1 – 37), 4. Auflage, Beck Verlag, München 2020, 1993 Seiten, 339,00 €.

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