Untreue

Vorwurf der Untreue gegen Auktionator – Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer niedrigen Geldauflage eingestellt


Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, vier Kunstwerke an einen weiteren Mitbeschuldigten zu einem – dem Wert der Bilder nicht entsprechenden – günstigen Preis verkauft zuhaben, obwohl sich unser Mandant zuvor mit Einlieferungsvertrag und Versteigerungsauftrag
gegenüber dem Zeugen verpflichtet hatte, die Kunstwerke in einer öffentlichen Auktion zu versteigern. Der Mitbeschuldigte soll sodann die Bilder – eines davon zu einem sehr hohen Preis – auf einer Versteigerung versteigert haben lassen. Hierdurch sollen sich unser Mandant wegen
gemeinschaftlicher Untreue gemäß §§ 266 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben. Eine erhebliche Hypothek für das Strafverfahren war, dass unser Mandant aufgrund dieses Vorfalls bereits in einem Zivilverfahren rechtskräftig durch das Landgericht Berlin zur Zahlung eines hohen Schadensersatzes verurteilt worden war.


In der ersten Hauptverhandlung äußerte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern zunächst in rechtlicher Hinsicht erhebliche Zweifel an dem erhobenen Vorwurf.


Nach der Ansicht von Rechtsanwalt Stern hatte es bereits an einer Vermögensbetreuungspflicht gefehlt, die von dem Tatbestand der Untreue vorausgesetzt wird. Bei der Vermögensbetreuungspflicht handelt es sich um eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht, Vermögensinteressen eines Dritten zu betreuen, das heißt diesem drohende Vermögensnachteile
abzuwenden. Der Treuepflichtige muss innerhalb eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises im Interesse des Vermögensinhabers tätig und zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet sein. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, die hier der Einlieferungs- und Versteigerungsvertrag den Parteien zugewiesen haben mochte, reichen dabei in der Regel nicht aus, selbst wenn sich hieraus natürlich Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ergeben. Insbesondere verlangt die Treuepflicht eine Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb
eines gewissen Ermessensspielraums. Der Auktionator übt jedoch regelmäßig kein Ermessen aus. Er stellt das Objekt lediglich zur Versteigerung ein. Der Zuschlag erfolgt durch den Höchstbietenden.
Erfolgt kein Gebot, so wird die Versteigerung geschlossen. Auch dies hängt nicht von der eigenen Entscheidung des Auktionators ab.

Der Staatsanwalt ließ sich hiervon jedoch nicht überzeugen und beharrte auf einer Verurteilung unseres Mandanten, auch weil dieser bereits erheblich vorbestraft war.

Da wichtige Zeugen nicht geladen waren, wurde ein zweiter Hauptverhandlungstermin nötig, der einige Monate später stattfand.

In diesem Termin stellte Rechtsanwalt Stern klar, dass der vermeintlich geschädigte für jedes Bild einen Mindestpreis schriftlich fixiert hatte. Unser Mandant hatte die Kunstwerke genau zu diesem Preis an den Mitbeschuldigten verkauft. Es konnte somit nicht darauf ankommen, dass der Zeuge zu dem Freiverkauf zu den genannten Konditionen zugestimmt hatte, auch wenn dies in dem parallel geführten zivilrechtlichen Verfahren umstritten war.
Darüber hinaus sei ein Vermögensnachteil zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht absehbar gewesen. Im Nachhinein war zwar bekannt geworden, dass eines der Bilder sehr wertvoll war. Allerdings waren die übrigen drei – allesamt ähnlich aussehenden – Kunstwerke nur zum Mindestgebot versteigert worden. Unser Mandant hätte nicht erkennen können, dass eines der Kunstwerke wertvoll war. Ohnehin sei es im Strafverfahren unmöglich, den Wert des wertvollen Kunstwerks objektiv festzustellen.

Es entspricht gerade dem Wesen einer Versteigerung, dass man
besonders gute Geschäfte machen kann, aber eben auch objektiv viel zu viel zahlen kann. Eventuell hatte der Ersteigerer einfach ein besonderes Affektionsinteresse an Kauf genau dieses Kunstwerks und zahlte entsprechend viel.

Vor diesem Hintergrund waren Gericht und Staatsanwaltschaft nach einem längeren Rechtsgespräch bereit, das Verfahren trotz der Vorverurteilung durch das Zivilgericht gegen Zahlung einer niedrigen Geldauflage einzustellen.

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Matt/Renzikowski StGB in 2. Auflage erschienen

Der in der Praxis bereits beliebte Kommentar Matt/Renzikowski zum Strafgesetzbuch, der seit der Erstauflage im Jahr 2013 Einzug in immer mehr Verteidigerbüros und Richterzimmer gefunden hat, ist nun in zweiter Auflage erschienen. Wir nutzen das Werk in der Kanzlei regelmäßig, weil es sich an unseren Bedürfnissen orientiert und im Gegensatz zu den meisten anderen einbändigen Kommentaren zum StGB auch wirtschaftsstrafrechtliche Probleme nicht ausspart, was man auch daran sehen kann, dass allein ein Zehntel der Kommentierung auf die §§ 263 und 266 StGB entfallen. Besonders nützlich sind die Abschnitte zu prozessualen Besonderheiten im Zusammenhang mit der jeweiligen Vorschrift – dort haben wir schon oft den Schlüssel für die Lösung unserer Fälle gefunden. So fallen auch die Anschaffungskosten in Höhe von 259,00 € nicht sonderlich ins Gewicht, zumal diese bei immerhin über 3.000 Seiten auch angemessen erscheinen. Überdies ist es den Herausgebern gelungen, die Autoren auf einen konsequent einheitlichen Aufbau der Kommentierung zu verpflichten. Das ist leider nicht selbstverständlich. Neben der Kommentierung der Tatbestandsvoraussetzungen finden sich daher stets auch ausführliche Abschnitte zu Konkurrenzen, Rechtsfolgen und anderen spezifischen Problemen.

Im Übrigen ist das Werk so bearbeitet, wie man es erwarten darf. Die Erläuterungen sind prägnant, strafrechtliche Entwicklungen werden kritisch begleitet und anhand auch abweichender Rechtsprechung Argumentationshilfen für die Verteidigung geliefert.

Trotz des Gewichts von über 2 kg ist der Kommentar handlich. Der Satz gefällt uns gut, der ubiquitäre Einsatz von Fettdruck führt die Augen der Leser rasch zu den gesuchten Stichworten. Zahlreiche Absätze liefern Übersicht.

Inhaltlich ist der Kommentar auf dem neuesten Stand. Eingepflegt wurden also etwa das neue Sexualstrafrecht, das neue Recht zur Bekämpfung des Menschenhandels, die Strafbarkeit von Sportwettbetrug, die Änderungen beim Wohnungseinbruchsdiebstahl, die Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen oder, die Neuregelungen beim Schwangerschaftsabbruch.

Wer sich das Werk beschaffen will, sollte natürlich vorher hineinsehen. Kommentierungen sind bekanntlich auch immer Geschmackssache. Die Leseprobe im Beck-Shop oder bei Vahlen ist dafür leider nicht geeignet, weil Ausschnitte aus der Kommentierung zu § 13 StGB ausgewählt worden sind. Ich wette 20 €, dass die Wahl auf diesen Abschnitt fiel, weil Mitsch ihn – zu Recht – in seiner Rezension zur 1. Auflage (2013) in der NJW hoch gelobt hatte. Die Stärke und Praxisrelevanz des Matt/Renzikowski liegt aus meiner Sicht jedoch eindeutig im Besonderen Teil des StGB . Die Kommentierung zur Untreue oder zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (beide von Matt) ist zum Beispiel phantastisch.

Matt/Renzikowski: StGB – Strafgesetzbuch, Kommentar, 2. Auflage 2020, 3065 S. Hardcover (In Leinen), Vahlen, 259,00 €.

Konstantin Stern, Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin

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Staatsanwaltschaft Braunschweig erhebt Anklage gegen Volkswagenmanager wegen Untreue im Zusammenhang mit der Vergütung der Betriebsräte

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sowie einen ehemaligen und einen aktuellen leitenden Manager der Volkswagen AG Anklage wegen Untreue bzw. Untreue im besonders schweren Fall zum Nachteil des Volkswagenkonzerns vor dem Landgericht Braunschweig erhoben.

Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, als jeweilige Personalvorstände bzw. Leiter des Personalwesens für die Konzernmarke Volkswagen zwischen Mai 2011 und Mai 2016 mehreren Betriebsratsmitgliedern überhöhte Gehälter und Boni gewährt zu haben, wodurch dem Volkswagen-Konzern ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sei. Zum Hintergrund: Die Angeschuldigten waren in ihren jeweiligen Positionen mitverantwortlich für die Festlegung der Gehälter und Bonuszahlungen der Betriebsratsmitglieder. Bei der Entscheidung über die jeweilige Eingruppierung bzw. Gehaltsanhebung sowie über die Höhe der Jahres-Bonuszahlungen folgten die Angeschuldigten stets den Vorschlägen der sog. „Kommission Betriebsratsvergütung“, der sie selbst angehörten. Außer ihnen waren auch der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates und dessen Stellvertreter Mitglieder dieser Kommission, die damit über ihre eigene Vergütung entschieden. Auf diese Weise sollen die Angeschuldigten in den Jahren 2011 bis 2016 für insgesamt fünf Betriebsratsmitglieder, darunter dem Betriebsratsvorsitzenden, entgegen den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes überhöhte Gehälter und Boni gewährt haben. Im Widerspruch zu den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes sollen die Angeschuldigten bei der Bestimmung des Entgelts der Betriebsratsmitglieder für diese bewusst eine unzutreffende Vergleichsgruppe zu Grunde gelegt haben. Die Vergleichsgruppen seien dabei so gewählt worden, dass ein höheres Gehalt gerechtfertigt erschien, obgleich die Angeschuldigten gewusst hätten, dass dies tatsächlich nicht der Fall war und die überhöhten Zahlungen den Betriebsräten nur aufgrund ihrer jeweiligen Position im Betriebsrat gewährt wurden.Die Angeschuldigten hätten dadurch wissentlich Zahlungen gewährt, die ihnen nach Nr. 4.3.2. des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ sowie § 93 Aktiengesetz verboten waren.

Durch die überhöhten Zahlungen, auf die die Betriebsratsmitglieder keinen Anspruch hatten, sei der Volkswagen AG ein Schaden in Höhe der jeweiligen Überzahlungen entstanden. Dieser beträgt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft insgesamt 5,052 Mio. Euro, wobei allein ein Betrag in Höhe von 3,125 Mio. Euro auf die ungerechtfertigte Vergütung an den Betriebsratsvorsitzenden entfalle. Den Angeschuldigten werden insgesamt 29 Einzeltaten vorgeworfen. Einem ehemaligen Personalvorstand werden 20 Taten sowie einem VW-Personalleiter 27 Taten zur Last gelegt. Ein weiterer ehemaliger Personalvorstand soll für fünf Taten verantwortlich sein, ein ehemaliger VW-Personalleiter für eine Tat.

Wegen Untreue macht sich gemäß § 266 StGB strafbar, wer

die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder

die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt

und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt

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