Es ist manchmal nicht so einfach mit dem Betrugstatbestand. Nach einem Bericht der LTO war dem Mandanten eines Rechtsanwalts aufgefallen, dass sein Rechtsanwalt offenbar eine Briefmarke doppelt verwendet hatte. Die Marke sei zwar nicht gestempelt gewesen, wohl aber aus einer anderen Postsendung ausgeschnitten und auf eine neue aufgeklebt worden. Der Mandant hatte von seinem Postzusteller, der Nachporto erheben wollte, erfahren, dass das verboten und damit „Betrug“ sei und konfrontierte seinen Anwalt mit diesem ungeheuerlichen Vorwurf per Mail. Die Reaktion des Rechtsanwalts war alles andere als besonnen: Er verlangte unter Fristsetzung die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, künftig nicht mehr zu behaupten, der Anwalt habe einen Betrug begangen, indem er gebrauchte Briefmarken benutzt habe.
Nachdem – nun sicherlich ehemalige – Mandant den Rechtsanwalt wegen der Briefmarke auch noch bei der Kammer angeschwärzt hatte, übersandte der Jurist auch noch eine Rechnung in Höhe von 492,54 Euro aus Anwaltshonorar. Der ehemalige Mandant fühlte sich jedoch im Recht und verweigerte die Zahlung. Daraufhin klagte der Anwalt. Mit einigem Erfolg, denn ein Betrug ist das keineswegs.
Zwar darf man nach den Geschäftsbedingungen der Post unbrauchbar gewordene Briefmarken (etwa weil das Paket, auf dem sie aufgeklebt waren, durchnässt ist, nur in Poststellen gegen neue umtauschen und bereits aufgeklebte Briefmarken nur auf den ursprünglichen Briefumschlag kleben, aber ein Verstoß gegen Geschäftsbedingungen ist nicht dasselbe wie ein Betrug.
Ein Betrug setzt sich aus einer Täuschung des Beschuldigten, einem Irrtum des Geschädigten, einer Vermögensverfügung durch den Geschädigten oder Dritten und schließlich einem Schaden zusammen. Das ergibt sich nicht unbedingt aus dem Wortlaut, ist aber anerkannt.
Hier ist eigentlich alles problematisch.
Das Ausschneiden der Briefmarke (auf LTO gibt es ein Foto vom Brief) und Aufkleben war für die Post derart offensichtlich, dass es zu keiner Fehlvorstellung bei dieser kommen konnte.
Der Postzusteller hatte sich auch nicht geirrt und entsprechend den Geschäftsbedingungen Nachporto verlangt. Nach den Geschäftsbedingungen der Post dürfe man unbrauchbar gewordene „verdorbene“ Briefmarken nur in Poststellen gegen neue umtauschen, bereits aufgeklebte Briefmarken auch nur auf dem ursprünglichen Briefumschlag. Keinesfalls dürfe man sie aber zur Frankierung verwenden. Wenn der Postbote dies aber weiß, die unzulässig aufgeklebte Briefmarke erkennt und nach den Geschäftsbedingungen behandelt, fehlt es an einem Irrtum, sodass allenfalls ein Betrugsversuch in Betracht kommt.
Eine Vermögensverfügung mag im Zustellversuch zu erblicken sein, aber ein Schaden ist weit und breit nicht zu sehen:
Ein (Vermögens-)Schaden ist ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Getäuschten.
Hier hatte der Rechtsanwalt das Porto für die Zustellung bezahlt, und diese wurde wurde durchgeführt. Er hätte sogar Anspruch auf Ausstellung einer neuen Briefmarke gehabt, was Verwaltungsaufwand bedeutet hätte. Die Post hat zudem Nachporto erhoben, was im Ergebnis sogar zu einem positiven Saldo geführt hätte, wenn sich der ehemalige Mandant darauf eingelassen hätte.
Nach alledem lag also ein Betrug nicht vor, daher hätte der ehemalige Mandant seinem Rechtsanwalt einen solchen auch nicht vorwerfen dürfen.
Der Mandant hat sich übrigens in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an den Rechtsanwalt 400,00 € zu zahlen und die Vergleichs- und Verfahrenskosten in Höhe von 316,23 € zu übernehmen. Im Ergebnis war es also eine teure Mail.
Es mag alles der Rechtslage entsprechen. Ob der Rechtsanwalt aber gleich mit der Übersendung einer Unterlassungserklärung reagieren musste oder sich vielleicht lieber ein etwas dickeres Fell zulegt, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.
Rechtsanwalt Konstantin Stern