Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist ein Straftatbestand, der in § 113 StGB geregelt ist. Er umfasst die vorsätzliche Behinderung von Amtsträgern oder Soldaten der Bundeswehr bei der Durchführung rechtmäßiger Vollstreckungshandlungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt. Ziel der Strafvorschrift soll der Schutz der staatlichen Autorität und der körperlichen Unversehrtheit von Vollstreckungsbeamten sein.
Wann ist der objektive Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erfüllt?
Der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ist in § 113 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Für eine Strafbarkeit muss zunächst der objektive Tatbestand erfüllt sein – also die äußeren Voraussetzungen der Tat. Diese prüfen Gerichte unabhängig davon, ob der Täter vorsätzlich oder schuldhaft handelte.
Im Folgenden erläutern wir, welche Voraussetzungen dafür konkret vorliegen müssen.
1. Vollstreckungshandlung eines Amtsträgers
Zentrale Voraussetzung ist, dass ein Amtsträger eine Vollstreckungshandlung vornimmt. Dazu zählen z. B.:
- eine Festnahme,
- eine Durchsuchung,
- eine Sicherstellung,
- die zwangsweise Durchsetzung eines Verwaltungsakts (z. B. Platzverweis).
Wichtig: Es muss sich um eine hoheitliche Maßnahme handeln, die unmittelbar auf die Erzwingung einer rechtmäßigen staatlichen Anordnung gerichtet ist. Reine Vorbereitungshandlungen oder allgemeine Streifentätigkeit genügen nicht.
2. Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung
Nur rechtmäßige Vollstreckungshandlungen können Grundlage eines strafbaren Widerstandleistens sein. Das bedeutet:
- Die handelnde Person muss tatsächlich Amtsträger sein.
- Die Maßnahme muss eine gesetzliche Grundlage haben (z. B. § 163b StPO für Identitätsfeststellungen).
- Form- und Verfahrensvorschriften müssen beachtet worden sein.
Ist die Maßnahme rechtswidrig – etwa wegen fehlender Zuständigkeit, fehlender Anordnung oder mangels Gefahr im Verzug –, liegt kein strafbarer Widerstand vor.
3. Gegen die Person gerichtete Gewalt oder Drohung mit Gewalt
Der Täter muss der Amtsperson körperlichen Widerstand entgegensetzen oder mit Gewalt drohen. Beispiele für tatbestandsmäßige Gewalt:
- sich aktiv gegen eine Festnahme sperren,
- Polizeibeamte stoßen, schubsen oder festhalten,
- sich losreißen mit erheblicher Kraftanwendung.
Nicht ausreichend sind bloße Worte, Beleidigungen oder passiver Widerstand (z. B. regungsloses Liegen auf der Straße), sofern keine körperliche Einwirkung erfolgt.
Im Fall der Drohung mit Gewalt muss die Ankündigung erkennbar darauf gerichtet sein, durch künftige Gewaltanwendung die Maßnahme zu verhindern oder zu erschweren – etwa durch Drohung mit einem Schlag.
4. Widerstandshandlung während der Ausführung der Vollstreckung
Die Widerstandshandlung muss während der konkreten Durchführung der Maßnahme erfolgen – nicht davor oder danach. Wird der Beamte nach Abschluss der Maßnahme angegriffen, kann ein anderer Straftatbestand vorliegen (z. B. Körperverletzung oder tätlicher Angriff nach § 114 StGB), aber nicht § 113 StGB.
Fazit: Tatbestandsvoraussetzungen sind eng auszulegen
Die Anforderungen an den objektiven Tatbestand des § 113 StGB sind hoch – und das ist auch richtig so, denn es geht um ein strafbares Verhalten gegenüber staatlichem Zwang. Für Betroffene bedeutet das: Nicht jede Auseinandersetzung mit der Polizei ist automatisch strafbar.
Als erfahrene Strafverteidiger prüfen wir genau:
- Ob die Maßnahme rechtmäßig war,
- ob tatsächlich Gewalt im juristischen Sinne vorlag,
- und ob die Reaktion des Beschuldigten überhaupt unter § 113 StGB fällt.
Welche Strafen drohen?
1. Regelfall (§ 113 Abs. 1 StGB):
- Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder
- Geldstrafe
2. Besonders schwerer Fall (§ 113 Abs. 2 StGB):
- Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren
- Ein besonders schwerer Fall liegt vor, wenn:
- Der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führt.
- Der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Beamten in Lebensgefahr oder in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
- Die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.
3. Milderung oder Straffreiheit (§ 113 Abs. 4 StGB):
- Das Gericht kann die Strafe mildern oder von einer Bestrafung absehen, wenn der Täter irrigerweise annimmt, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und dieser Irrtum vermeidbar war.
Demgegenüber kann ein Anspucken einer der geschützten Personen oder das Werfen eines Gegenstandes (Flasche, Stein etc.) auf eine der geschützten Personen bereits als tätlicher Angriff im Sinne des § 114 Abs. 1 StGB gewertet werden. Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte kann mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft werden.
Verteidigungsstrategien
Der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ist für Beschuldigte oft mit großer Unsicherheit verbunden. Nicht selten entstehen solche Vorwürfe im Zusammenhang mit aufgeladenen Situationen, wie etwa bei Polizeikontrollen oder Demonstrationen. Als Strafverteidiger klären wir auf, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, sich gegen diesen Vorwurf zu verteidigen.
1. Prüfung der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung
Ein zentraler Punkt in der Verteidigung ist die Frage, ob die Amtshandlung überhaupt rechtmäßig war. Denn:
- Nur bei rechtmäßiger Vollstreckungshandlung kann § 113 StGB greifen.
- Wurde die Maßnahme ohne gesetzliche Grundlage oder unter Missachtung von Verfahrensvorschriften (z. B. fehlende Belehrung, keine Durchsuchungsanordnung) durchgeführt, liegt kein strafbarer Widerstand vor.
Beispiel: Eine unangekündigte Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss, obwohl kein „Gefahr im Verzug“ bestand.
2. Abgrenzung: Passiver Widerstand
Nicht jede Handlung gegen eine Maßnahme stellt „Widerstand“ im Sinne des Gesetzes dar:
- Passiver Widerstand, z. B. sich wegdrehen oder nicht freiwillig mitgehen, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht strafbar nach § 113 StGB.
- Strafbar ist nur ein aktiver Widerstand, der körperlich wirkt (z. B. Wegstoßen, Sichlosreißen).
Diese Abgrenzung kann entscheidend für eine erfolgreiche Verteidigung sein.
3. Fehlende Gewalt oder Drohung
Für eine Strafbarkeit nach § 113 Abs. 1 StGB ist Gewalt oder Drohung mit Gewalt erforderlich. Hier ist genau zu prüfen:
- Lag wirklich eine „Gewaltanwendung“ vor?
- War die angebliche Drohung erkennbar und ernsthaft?
Oft beruhen Polizeiberichte auf subjektiven Einschätzungen, die einer kritischen juristischen Bewertung nicht standhalten.
4. Irrtum oder Affekthandlung
In bestimmten Situationen kann ein sogenannter Verbotsirrtum oder eine affektive Überreaktion vorliegen:
- Der Beschuldigte wusste nicht, dass sein Verhalten strafbar war.
- Er handelte aus plötzlichem Erregungszustand, etwa aufgrund übermäßiger Polizeigewalt.
Hier kann unter Umständen eine Strafmilderung oder gar ein Strafverzicht nach § 113 Abs. 4 StGB in Betracht kommen.
5. Verhältnismäßigkeit und Beweislage
Viele Verfahren beruhen auf widersprüchlichen Aussagen:
- Aussage gegen Aussage (Polizei gegen Beschuldigter)
- fehlende oder unklare Videoaufnahmen
- keine objektiven Zeugen
Ein erfahrener Strafverteidiger kann hier durch Anträge auf Beweiserhebung, Verwertungsverbote oder Anträge auf Einstellung wesentliche Vorteile für den Mandanten erzielen.
Fazit: Frühzeitige Verteidigung ist entscheidend
Gerade bei Vorwürfen wie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ist schnelles und durchdachtes Handeln notwendig. Es drohen Geldstrafe, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren – und oft auch berufliche und persönliche Konsequenzen. Die genaue Analyse der Umstände, das Ausschöpfen aller prozessualen Mittel und eine klare Strategie können das Verfahren entscheidend beeinflussen.
Nehmen Sie Kontakt zu uns auf und lassen Sie sich frühzeitig beraten – wir stehen Ihnen zur Seite.