Irrtum

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch – Band 1: §§ 1 – 37 – in 4. Auflage erschienen


Der Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch bietet mit seinen insgesamt sechs Bänden zum Strafgesetzbuch und drei weiteren Bänden zu den in der Praxis besonders relevanten Gebieten des Nebenstrafrechts eine ausführliche Kommentierung zu strafrechtlichen Fragen jeglicher Art.

Der erste Band des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch ist nun in bereits 4. Auflage unter Bandredaktion von Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg erschienen. Der Band enthält dabei zahlreiche Vorschriften, die sowohl in der juristischen Ausbildung als auch in der juristischen Praxis für ein grundlegendes Verständnis des Allgemeinen Teils des Strafrechts unabdingbar sind. Die Neuauflage von Band 1 umfasst die ersten beiden Abschnitte des Allgemeinen Teils, also Geltungsbereich, Unterlassen, Irrtum, Schuldunfähigkeit, Versuch, Täterschaft und Teilnahme, Notwehr und Notstand. Die Kommentierung wurde an zahlreichen Stellen durch die neuste Rechtsprechung und die dazugehörige aktuelle Literatur umfassend aktualisiert und berücksichtigt dabei alle wichtigen Entwicklungen des Strafrechts. Besonders intensiv wurden dabei die Themenbereiche Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum sowie Täterschaft und Teilnahme überarbeitet.


Die Kommentierung ist wie gewohnt inhaltlich herausragend, fundiert sowie sehr umfangreich und detailliert. Trotz großen Umfangs gelingt die Orientierung im Text gut. Die Kommentierung der einzelnen Normen des ersten Bandes ist so dargestellt, wie man es aus den anderen Bänden des MüKo kennt. Auf den fettgedruckten Gesetzestext der jeweiligen Vorschrift folgt – je nach Länge der Kommentierung – das vom Kommentator empfohlene Schrifttum und eine Inhaltsübersicht einschließlich der jeweiligen Randnummern. In der darauffolgenden ausführlichen Erläuterung des Gesetzestextes werden die relevanten Stichwörter hervorgehoben, sodass man den Überblick über den jeweiligen Abschnitt der Kommentierung behält. Darüber hinaus ist es besonders lobenswert, dass weiterführende Literatur in den Fußnoten angegeben wird und somit die gesamte Kommentierung einer Norm angenehm lesbar ist.

Der Band 1 des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch stellt – so wie die anderen Bände des MüKo – eine gelungene Kombination von Vollständigkeit und Praktikabilität dar. Das Werk bietet stets klare und praxisnahe Lösungsvorschläge für aufkommende Probleme an, wodurch dieser Band ein für den sorgfältig arbeitenden Juristen unverzichtbares Arbeitsmittel ist. Besonders hervorzuheben ist zudem, dass die Kommentierung die Vielseitigkeit juristischer Tätigkeiten im Strafrecht widerspiegelt. Unter den Kommentatoren sind Juristen aus der Wissenschaft und Lehre, der Rechtsanwaltschaft, der Staatsanwaltschaft und der Richterschaft.

Auch wenn der Preis für den Band mit 339,00 € recht hoch sein mag (bei Abnahme aller Bände bekommt man einen erheblichen Rabatt), lohnt es sich der Erwerb dieses Bandes, zumal im Allgemeinen teil verortete Probleme häufiger auftauchen als man annimmt. Außerdem sieht’s im Regal blöd aus, wenn ein Band fehlt.

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch – Band 1 (§§ 1 – 37), 4. Auflage, Beck Verlag, München 2020, 1993 Seiten, 339,00 €.

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Posted by stern in Rezension

Urteile gegen Alfred und Monika Sch. wegen Volksverhetzung rechtskräftig

Der Bundesgerichtshof hat mit gerade veröffentlichtem Beschluss vom 06. August 2019 – 3 StR 190/19 das Urteil des Landgerichts München II vom 26. Oktober 2018 (Aktenzeichen 3 KLs 12 Js 22685/16) gehalten, in dem die Angeklagten wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu Haftstrafen verurteilt worden waren.

Das Landgericht München II hatte festgestellt, dass der Angeklagte A. Sch. in der Zeit von Januar 2015 bis Juli 2017 zehn Videos im Internet veröffentlicht habe, in denen er den Völkermord an den europäischen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus geleugnet habe (§ 130 Abs. 3 StGB). In acht dieser Fälle stachelte der Angeklagte zugleich zum Hass gegen Juden aufgestachelt und außerdem deren Menschenwürde angegriffen, indem er sie böswillig verächtlich gemacht habe (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB). In fünf Fällen habe er überdies zum Hass gegen Flüchtlinge aufgestachelt (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Die Angeklagte M. Sch. habe in drei Fällen an der Produktion der Videos mitgewirkt.

Holocaust-Mahnmal; Foto: Pixabay

Die Angeklagten hatten sich im Verfahren offenbar dahingehend eingelassen, dass sie irrig an die „Nichtexistenz“ des NS-Genozids geglaubt hätten. Insofern habe es am Vorsatz gefehlt, da die Unwahrheit der behaupteten Tatsache – anders als bei der üblen Nachrede (§ 186 StGB) – nicht nur eine objektive Bedingung der Strafbarkeit sei, sondern ein Merkmal des objektiven Tatbestandes, auf das sich der Vorsatz zu erstrecken hat (§ 16 StGB).

Auch der BGH (und die Mehrheit im Schrifttum) verlangt (bedingten) Vorsatz bzgl. des Leugnens, stellt aber sehr niedrige Anforderungen an diesen Vorsatz.

Vorsätzlich leugnet den Holocaust, wer ihn in Abrede stellt, obwohl er entweder weiß oder zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass der Holocaust entgegen seiner Behauptung tatsächlich stattgefunden hat (vgl. LK/Krauß, aaO Rn. 130; MüKoStGB/Schäfer, aaO Rn. 103; S/S/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, aaO Rn. 20).

Dass der Holocaust entgegen der eigenen Behauptung stattgefunden hat, nimmt billigend in Kauf, wer

  • die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Holocaust nicht zur Kenntnis nimmt (etwa BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1992 – 1 BvR 824/90)
  • sich gegenüber der auch sonst eindeutigen Beweislage ignorant zeigt, und die Existenz historisch anerkannten Quellenmaterials aus differenzierter 70jähriger Forschung ignoriert,
  • die Quellen der eigenen Erkenntnisse, etwa den „Leuchter-Report“, nicht kritisch hinterfragt und
  • an sorgsamer, an Wahrheit orientierter Forschung nicht interessiert ist.

Zum Gesetzestext von § 130 StGB

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