Pflichtverteidigung

Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt – Verfahrenseinstellung nach Löschung pornographischer Inhalte auf Handy und iPad

Unser minderjähriger Mandant und sein Vater kontaktierten uns nach Erhalt einer polizeilichen Vorladung. Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, über die Social-Media-Plattform „Snapchat“ mit einer Minderjährigen kommuniziert zu haben und diese um die Übersendung von Nacktaufnahmen gebeten zu haben, woraufhin diese entsprechende Bilder von sich übersandte. Sodann habe unser Mandant die minderjährige Person dazu aufgefordert weitere Nacktaufnahmen zu übersenden, auf denen sich die minderjährige Person nach Vorgaben unseres Mandanten am ganzen Körper anfassen sollte. Unser Mandant habe gedroht die bereits erhaltenen Bilder, die er per Screenshot gesichert habe, im Internet zu veröffentlichen, wenn die minderjährige Person seinen Aufforderungen nicht nachkomme. Daraufhin habe die minderjährige Person weitere Bilder an unseren Mandanten gesendet.

Hierdurch habe sich unser Mandant wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind gemäß § 176a Abs. 2 StGB strafbar gemacht. In einem solchen Fall kann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verhängt werden.

Auch wurden im Rahmen der Ermittlungen die Wohnräume unseres Mandanten durchsucht. Die Beamten stellten während dieser Maßnahme das Handy und das iPad unseres Mandanten sicher.

Nach Mandatierung nahm Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern Akteneinsicht und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger, da unserem Mandanten ein Verbrechen vorgeworfen wurde.

Beim Durcharbeiten der Ermittlungsakte erkannte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern die klare Beweislage und suchte deshalb den zuständigen Staatsanwalt auf. Im Rahmen des Gesprächs regte er sodann eine Verfahrenseinstellung gemäß § 47 JGG an. Da unser Mandant noch sehr jung sei und er überdies die auf Smartphone und iPad vorhandenen pornographischen Dateien löschen werde, wenn er seine Geräte zurückbekomme, sei eine Einstellung der am besten geeignete Weg der Verfahrenserledigung. Mit diesem Vorgehen erklärte sich der Staatsanwalt einverstanden.

Die Polizei wehrte sich mit einem Bericht gegen den Plan des Staatsanwalts und vertrat die Auffassung, dass eine Einstellung – zumal ohne jegliche Sanktion – dem Unrechtsgehalt der Tat nicht gerecht werde. Der Staatsanwalt blieb aber bei seiner im Gespräch mit Rechtsanwalt Stern vertretenen Auffassung.

Nach dem Gespräch fuhren Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern und unser Mandant zum LKA für ein erzieherisches Gespräch mit den Beamten. Überdies erhielt unser Mandant sein Handy zunächst für die Öffnung zur Löschung der pornographischen Dateien und anschließend endgültig zurück.

Nach alledem stellte der Staatsanwalt gemäß der Verabredung das gegen unseren Mandanten geführte Verfahren nach § 45 Abs. 1 JGG ein.

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Verfahrenseinstellung vor dem Landgericht nach Freiheitsstrafe in erster Instanz

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, gemeinsam mit seinem Bruder einen Handwerker außerhalb eines Parks in einer brandenburgischen Kleinstadt mit einem Stock verprügelt zu haben. Zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erschien mein Mandant, der nur schlecht Deutsch spricht, ohne Verteidiger. Das Gericht glaubte den Zeugen, die genau wie der Geschädigte angegeben hatten, von den Jungs verprügelt worden zu sein. Unser Mandant wurde zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Nun nahm er Kontakt mit der Rechtsanwaltskanzlei Stern | Strafrecht auf.

Rechtsanwalt Stern nahm Akteneinsicht und stellte fest, dass der Geschädigte im Laufe des Verfahrens fünf unterschiedliche Versionen des Geschehens vorgetragen hatte. Zudem lud Rechtsanwalt Stern unseren Mandanten zu einem ausführlichen Gespräch in die Kanzlei ein, in dem sehr detailliert erörtert wurde, an welchen Geschehensablauf sich unser Mandant noch erinnern konnte. Insbesondere erklärte unser Mandant, dass die Aggressionen von dem Bauarbeiter ausgegangen seien und die Jungs lediglich bemüht gewesen seien, den Bauarbeiter am Ort des Geschehens zu halten, um die Aggressionen selbst zur Anzeige bringen zu können. Dies hatte unser Mandant in der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht noch nicht vorgetragen. Zudem konnte Rechtsanwalt Stern anhand einer Einsicht in Kartenmaterial feststellen, dass die Zeugen aufgrund baulicher Gegebenheiten das ursprüngliche Geschehen gar nicht wahrgenommen haben konnten.

In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Potsdam musste Rechtsanwalt Stern nicht nur die rechtlichen Interessen unseres Mandanten, sondern auch die seines Bruders im Blick behalten, dem im Falle einer neuerlichen Verurteilung wegen dieser und weiterer Taten ein Dauerarrest gedroht hätte.

Es waren insgesamt vier Hauptverhandlungstermine, ein Ablehnungsgesuch und die Feststellung, dass sich unser Mandant mit seinem Dolmetscher nur unzureichend verständigen konnte, nötig, bis sich alle Beteiligten auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer geringen Geldauflage einigen konnten.

Unser Mandant und sein Bruder waren sehr glücklich, dass sie nun nicht als vorbestraft gelten, was positive Auswirkungen auf ihren ausländerrechtlichen Status haben wird. Eine siebenmonatige Freiheitsstrafe wäre eine hohe Bürde gewesen.

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Upskirting soll strafbar werden

Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, dass das sogenannte Upskirting künftig eine Straftat sein soll. Upskirting ist das in der Regel geheime Fotografieren mit dem Handy (teilweise unter Zuhilfenahme eines Selfie-Sticks) unter Röcke und Kleider von Frau – etwa auf Rolltreppen, Gehwegen oder in Treppenhäusern.

Die Initiative hierzu kam aus den Ländern. In einem Gesetzesantrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Saarland vom 17. September 2019 heißt es zur Begründung:

Gravierendes und auch strafwürdiges, bislang regelmäßig aber nicht strafbares Unrecht verwirklicht dabei derjenige, der absichtlich unter die Bekleidung einer anderen Person filmt oder fotografiert und auf diese Weise eine Bildaufnahme von deren Intimbereich herstellt oder überträgt. Durch dieses – zumeist heimlich vorgenommene – Verhalten wird der durch das Bekleidungsstück bezweckte Sichtschutz überwunden. Die Betroffenen können sich daher häufig nicht oder nur unzureichend wehren und müssen zumeist erdulden, dass sie hierdurch gegen ihren Willen zu Zwecken persönlicher Bedürfnisbefriedigung der Täter gleichsam instrumentalisiert werden.

Gesetzgeberisch soll der Plan durch Einführung eines neuen § 184k mit der Überschrift „Bildaufnahme des Intimbereichs“ umgesetzt werden:

Hiernach macht sich strafbar, wer

absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt, oder eine derartige Bildaufnahme überträgt.

Ich bin gespannt, was die Rechtsprechung daraus macht. Der Gesetzgeber hatte sicherlich jene Fälle im Kopf, in denen der „Fotograf“ das Handy unter den Rock hält und von dem Schlüpfer ein Foto schießt. Was gilt aber, wenn sich das Gegenüber bückt und die Unterwäsche dadurch sichtbar wird oder wenn die Unterwäsche – wie häufig bei Sportkleidung – aufgrund der aus funktionalen oder vermarktungstechnischen Gründen sehr kurzen Sporthose auch so hin und wieder sichtbar ist (vgl. das Beispiel auf der Wikipedia-Seite)?

Und ich hätte gern gewusst, ob es tatsächlich ein derart verbreitetes Phänomen ist, dass man dem Ganzen nur durch einen Straftatbestand Herr werden kann. Falls jemand Statistiken kennt – bitte einen kurzen Hinweis im Kommentarbereich hinterlassen.

Der Entwurf der Länder sieht übrigens ebenfalls für die Betroffenen den Anschluss als Nebenkläger sowie die Beiordnung eines Verteidigers vor. Sollte das so Gesetz werden, wird aus Gründen des Fair Trial auch regelmäßig den Beschuldigten ein Verteidiger beigeordnet werden müssen, obwohl kaum je eine relevante Strafe im Raum stehen dürfte.

Und ungewollte Fotos ins Dekolleté sollen nach dem Beschluss des Bundeskabinetts übrigens auch strafbar werden.

Konstantin Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht

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