Seifert: Forensische Psychiatrie

Regelmäßige Leser des Fachblogs haben sicherlich festgestellt, dass wir besonders gern Kommentarliteratur rezensieren und darüber berichten, was sich zwischen der 57. und der 58. Auflage geändert hat. Ab und zu bringt der freundliche DHL-Bote jedoch eine Erstauflage ins Büro. Und wenn dann die Pausenglocke läutet, ist Zeit für ganz Neues. So auch hier:

Der Autor, Dieter Seifert, Jahrgang 1959, ist studierter Humanmediziner und Ärztlicher Direktor der Alexianer Christophorus Klinik in Münster (Habilitation zu Gefährlichkeitsprognosen von Patienten des psychiatrischen Maßregelvollzugs), lehrt forensische Psychiatrie sowohl an medizinischen als auch juristischen Fakultäten und ist zudem seit 30 Jahren als Gerichtsgutachter tätig. Sagen wir es so: Seifert braucht für dieses Werk keinen Ghostwriter.

Das Buch hat eine gut nachvollziehbare Gliederung: Der Autor widmet sich zunächst der psychiatrischen Krankheitslehre und erläutert dann verschiedene Krankheitsbildern an, die gelungen nach den Eingangsmerkmalen des § 20 StGB – der Zentralnorm für Schuldunfähigkeit aufgrund seelischer Störungen – geordnet sind. Im Anschluss werden Fragen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens, des Maßregelvollzugs und der Beurteilung von Legalprognosen erörtert.

Immer wieder gelingt es ihm dabei, einen Bogen zu spannen von der medizinisch-psychiarischen Fachmaterie zum juristischen Anwendungsbereich, was es nicht nur für Studierende und Praktiker der forensischen Psychologie, sondern auch Studierende und Praktiker der Juristerei äußerst empfehlenswert macht.

Der Text ist angenehm lesbar, was auch an den immer wieder eingestreuten reale Fallbeispielen und solchen aus Filmen und Romanen dient. Eine gute Idee!

Etwas stärker ins Detail hätte der Autor allenfalls hinsichtlich der Differenzierung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die in der forensischen Psychiatrie sonst nach meiner Wahrnehmung eine große Rolle spielen. Auch ein Exkurs in die Strafrechtssysteme anderer Staaten und deren Beurteilung psychischer Krankheiten in Bezug auf persönlich vorwerfbare Schuld. Nichtsdestotrotz handelt es sich um ein äußerst gelungenes Fachbuch, welches sich mit der Schnittstelle zwischen Psychiatrie und Strafrecht befasst.

Insgesamt zeigt das Werk jedoch auf eine umfangreiche, aber nicht überfordernde Art die Grundlagen vor psychischer Erkrankungen im juristischen und kriminologischen Kontext auf. Dabei wird das Buch ohne Zweifel seinem Anspruch gerecht, die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich der forensischen Psychiatrie zu fördern. Wir empfehlen es gern.

Seifert, Dieter: Forensische Psychiatrie, Beck, München 2024, 69 Euro.