Allgemein
BGH lässt Anklage gegen Franco A. zu
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 22. August 2019 – StB 17/18 auf die sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts dessen Anklage wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und anderer Delikte gegen einen Angehörigen der Bundeswehr Franco A. zu dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zugelassen und das Hauptverfahren vor diesem Gericht eröffnet.
Dem Angeklagten wird vom Generalbundesanwalt zur Last gelegt, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Er soll den Plan gefasst haben, einen Angriff auf das Leben hochrangiger Politiker und Personen des öffentlichen Lebens vorzunehmen. Bei dem geplanten Anschlag habe der Angeklagte den Verdacht in Richtung der in Deutschland erfassten Asylbewerber lenken wollen. Zu diesem Zwecke habe er sich eine Tarnidentität als syrischer Flüchtling zugelegt. Außerdem sei er im Besitz von weiteren Waffen gewesen.
Das Oberlandesgericht hat die Anklage nur teilweise zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht Darmstadt eröffnet. Den hinreichenden Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat hat es verneint, weil der Angeklagte zu einer solchen Tat nicht fest entschlossen gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass er sie über den Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht begangen habe, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.
Nach der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs, der zu einem Teil des Verteidigungsvorbringens Nachermittlungen in Auftrag gegeben hatte, die nahezu ein Jahr in Anspruch genommen haben, kann der vom Oberlandesgericht als maßgeblich betrachtete zeitliche Ablauf die im Übrigen gegen den Angeklagten sprechenden Indizien nicht in einem Maße entkräften, dass der hinreichende Tatverdacht entfiele. Dabei kann offen bleiben, ob der Angeklagte tatsächlich unter einer Legende handeln wollte.
Das Oberlandesgericht wird in dieser Sache deshalb nunmehr eine Hauptverhandlung anzuberaumen und durchzuführen haben.
Vorinstanz: Oberlandesgericht Frankfurt – Beschluss vom 7. Juni 2018 – 5 – 2 StE 18/17 -5a- 7/17
PM des BGH vom 20.11.2019
Wenn Ermittlungsbehörden Drittmittelanträge stellen müssen
Bislang dachten wir immer, nur in der Wissenschaft müssten ständig Förderanträge gestellt werden, um vernünftig arbeiten zu können. Jetzt lesen wir in einem Bericht des Tagesspiegel über ein gemeinsames Projekt des Landeskriminalämter Berlin und Brandenburg, in dem es um um Autodiebstahl, Waffenhandel, Geldwäsche, Drogen und Gewalt ging: Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen bei der EU vorstellig werden, wenn sie sich mit Kollegen aus anderen Ländern treffen wollen:
„Das Projekt war aus dem EU-Fonds für Innere Sicherheit mit 500 000 Euro gefördert worden. Damit wurden Treffen der Ermittler und Überwachungstechnik finanziert, aber auch Reisen, damit deutsche Beamte bei Razzien in Osteuropa dabei sein können. Das Projekt ist im September ausgelaufen, ein Folgeprojekt gibt es vorerst nicht. Bestimmte gemeinsame Maßnahmen sind nicht mehr möglich, die Kassen für Reisekosten sind knapp.“
Dabei scheinen die 500.000 € aus Sicht der Ermittlungsbehörden gut angelegt worden zu sein:
„Allein 88 Banden aus dem Bereich der organisierten Kriminalität wurden entdeckt, 182 Hintermänner und Schlüsselfiguren konnten ausgemacht werden. Und es wurden 4,25 Millionen Euro, 685 Fahrzeuge und zahlreiche Waffen, darunter Maschinenpistolen und Handgranaten, sichergestellt. Die festgestellte Höhe des Gesamtschadens durch die Banden, gegen die ermittelt wird: 600 Millionen Euro“
BGH weitet die Grenzen der Beihilfe ins Unendliche aus
Die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Beihilfe ist nicht mehr vorhersehbar. Im Oktober berichteten wir über folgenden Fall:
Am 17. Oktober 2019, 9.15 Uhr findet […] die Revisionshauptverhandlung gegen einen Geflüchteten statt, der gegenüber seinem Schleusern zugesagt haben soll, als männlicher Begleiter, Ansprechpartner und Kontaktperson von zwei ebenfalls nach Griechenland zu schleusenden afghanischen Frauen und deren vier Kindern zu dienen.
Bei der Überfahrt nach Griechenland sei das Boot überladen gewesen und nach stundenlanger Irrfahrt in griechischen Hoheitsgewässern gekentert. Die zwei Frauen und ihre vier Kinder sowie weitere Passagiere des Boots seien ertrunken, der Angeklagte sei hingegen von der griechischen Küstenwache gerettet und später nach Deutschland weitergereist.
Das Landgericht Osnabrück hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Die später umgesetzte Zusage, für die Frauen als Begleiter zu fungieren, sei eine Unterstützung des Schleusers der Frauen gewesen.
Tja. Und der BGH hat das tatsächlich gehalten: BGH, Urteil vom 14. November 2019, 3 StR 561/18.
Wir liefern die Urteilsgründe nach, sobald sie veröffentlicht sind.
Blogrundschau Strafrecht (15.11.2019
Udo Vetter über einen vermögenden inhaftierten Mandanten, der aus altruistischen Gründen Mitgefangene freikauft.
Burhoff über den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.09.2019 – 4 StR 150/19, in dem folgende Erwägung des LG kritisiert wird, in der aus einem Schweigen nachteilige Schlüsse gezogen worden waren. Natürlich hatte der BGH jedoch, wie üblich in letzter Zeit, das Beruhen verneint, weil es keine tragende Erwägung gewesen sein soll.
„Zwar begegnet die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägung, der Angeklagte habe sich „weder im Anschluss an seine Verhaftung gegenüber den Beamten De. und D. noch bei der Eröffnung des Haftbefehls auf ein Alibi berufen […] obwohl es sich aus seiner Sicht geradezu aufgedrängt hätte, ein solches sofort nach der Konfrontation mit dem Vorwurf den Beamten und/oder dem Haftrichter zu präsentieren„
Noch einmal Burhoff über die Segnungen der Nachschulung zur Sperrfristverkürzung nach Trunkenheitsfahrt.
Schwurgericht.info über Hinweispflichten der Schwurgerichtskammer.
Sokolowski über mögliche Probleme im selbständigen Einziehungsverfahren.
Upskirting soll strafbar werden
Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, dass das sogenannte Upskirting künftig eine Straftat sein soll. Upskirting ist das in der Regel geheime Fotografieren mit dem Handy (teilweise unter Zuhilfenahme eines Selfie-Sticks) unter Röcke und Kleider von Frau – etwa auf Rolltreppen, Gehwegen oder in Treppenhäusern.
Die Initiative hierzu kam aus den Ländern. In einem Gesetzesantrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Saarland vom 17. September 2019 heißt es zur Begründung:
Gravierendes und auch strafwürdiges, bislang regelmäßig aber nicht strafbares Unrecht verwirklicht dabei derjenige, der absichtlich unter die Bekleidung einer anderen Person filmt oder fotografiert und auf diese Weise eine Bildaufnahme von deren Intimbereich herstellt oder überträgt. Durch dieses – zumeist heimlich vorgenommene – Verhalten wird der durch das Bekleidungsstück bezweckte Sichtschutz überwunden. Die Betroffenen können sich daher häufig nicht oder nur unzureichend wehren und müssen zumeist erdulden, dass sie hierdurch gegen ihren Willen zu Zwecken persönlicher Bedürfnisbefriedigung der Täter gleichsam instrumentalisiert werden.
Gesetzgeberisch soll der Plan durch Einführung eines neuen § 184k mit der Überschrift „Bildaufnahme des Intimbereichs“ umgesetzt werden:
Hiernach macht sich strafbar, wer
absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt, oder eine derartige Bildaufnahme überträgt.
Ich bin gespannt, was die Rechtsprechung daraus macht. Der Gesetzgeber hatte sicherlich jene Fälle im Kopf, in denen der „Fotograf“ das Handy unter den Rock hält und von dem Schlüpfer ein Foto schießt. Was gilt aber, wenn sich das Gegenüber bückt und die Unterwäsche dadurch sichtbar wird oder wenn die Unterwäsche – wie häufig bei Sportkleidung – aufgrund der aus funktionalen oder vermarktungstechnischen Gründen sehr kurzen Sporthose auch so hin und wieder sichtbar ist (vgl. das Beispiel auf der Wikipedia-Seite)?
Und ich hätte gern gewusst, ob es tatsächlich ein derart verbreitetes Phänomen ist, dass man dem Ganzen nur durch einen Straftatbestand Herr werden kann. Falls jemand Statistiken kennt – bitte einen kurzen Hinweis im Kommentarbereich hinterlassen.
Der Entwurf der Länder sieht übrigens ebenfalls für die Betroffenen den Anschluss als Nebenkläger sowie die Beiordnung eines Verteidigers vor. Sollte das so Gesetz werden, wird aus Gründen des Fair Trial auch regelmäßig den Beschuldigten ein Verteidiger beigeordnet werden müssen, obwohl kaum je eine relevante Strafe im Raum stehen dürfte.
Und ungewollte Fotos ins Dekolleté sollen nach dem Beschluss des Bundeskabinetts übrigens auch strafbar werden.
Konstantin Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht
Staatsanwaltschaft Braunschweig erhebt Anklage gegen Volkswagenmanager wegen Untreue im Zusammenhang mit der Vergütung der Betriebsräte
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat gegen zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sowie einen ehemaligen und einen aktuellen leitenden Manager der Volkswagen AG Anklage wegen Untreue bzw. Untreue im besonders schweren Fall zum Nachteil des Volkswagenkonzerns vor dem Landgericht Braunschweig erhoben.
Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, als jeweilige Personalvorstände bzw. Leiter des Personalwesens für die Konzernmarke Volkswagen zwischen Mai 2011 und Mai 2016 mehreren Betriebsratsmitgliedern überhöhte Gehälter und Boni gewährt zu haben, wodurch dem Volkswagen-Konzern ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sei. Zum Hintergrund: Die Angeschuldigten waren in ihren jeweiligen Positionen mitverantwortlich für die Festlegung der Gehälter und Bonuszahlungen der Betriebsratsmitglieder. Bei der Entscheidung über die jeweilige Eingruppierung bzw. Gehaltsanhebung sowie über die Höhe der Jahres-Bonuszahlungen folgten die Angeschuldigten stets den Vorschlägen der sog. „Kommission Betriebsratsvergütung“, der sie selbst angehörten. Außer ihnen waren auch der Vorsitzende des Konzernbetriebsrates und dessen Stellvertreter Mitglieder dieser Kommission, die damit über ihre eigene Vergütung entschieden. Auf diese Weise sollen die Angeschuldigten in den Jahren 2011 bis 2016 für insgesamt fünf Betriebsratsmitglieder, darunter dem Betriebsratsvorsitzenden, entgegen den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes überhöhte Gehälter und Boni gewährt haben. Im Widerspruch zu den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes sollen die Angeschuldigten bei der Bestimmung des Entgelts der Betriebsratsmitglieder für diese bewusst eine unzutreffende Vergleichsgruppe zu Grunde gelegt haben. Die Vergleichsgruppen seien dabei so gewählt worden, dass ein höheres Gehalt gerechtfertigt erschien, obgleich die Angeschuldigten gewusst hätten, dass dies tatsächlich nicht der Fall war und die überhöhten Zahlungen den Betriebsräten nur aufgrund ihrer jeweiligen Position im Betriebsrat gewährt wurden.Die Angeschuldigten hätten dadurch wissentlich Zahlungen gewährt, die ihnen nach Nr. 4.3.2. des „Deutschen Corporate Governance Kodex“ sowie § 93 Aktiengesetz verboten waren.
Durch die überhöhten Zahlungen, auf die die Betriebsratsmitglieder keinen Anspruch hatten, sei der Volkswagen AG ein Schaden in Höhe der jeweiligen Überzahlungen entstanden. Dieser beträgt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft insgesamt 5,052 Mio. Euro, wobei allein ein Betrag in Höhe von 3,125 Mio. Euro auf die ungerechtfertigte Vergütung an den Betriebsratsvorsitzenden entfalle. Den Angeschuldigten werden insgesamt 29 Einzeltaten vorgeworfen. Einem ehemaligen Personalvorstand werden 20 Taten sowie einem VW-Personalleiter 27 Taten zur Last gelegt. Ein weiterer ehemaliger Personalvorstand soll für fünf Taten verantwortlich sein, ein ehemaliger VW-Personalleiter für eine Tat.
Wegen Untreue macht sich gemäß § 266 StGB strafbar, wer
die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder
die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt
und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt
Hier geht’s um Leben und Tod
Die Frage nach dem Zeitpunkt des Todeseintritts wird bekanntlich in Medizin und Recht, aber auch innerhalb der verschiedenen Rechtsgebiete ganz unterschiedlich beantwortet.
Einig ist man sich im Recht allein darin, dass auch der Tod ein normativer Begriff ist und etwa die Kriterien der Naturwissenschaften nicht ohne Weiteres übernommen werden können, vor allem weil etwa die Naturwissenschaften den Tod häufig als Prozess begreifen, es im Recht aber wünschenswert ist, einen genauen Zeitpunkt zu kennen, an dem das Leben endet und der Tod beginnt – mit den sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen.
Im Strafrecht wird der Todeszeitpunkt – naheliegend – in der Regel im Rahmen der Tötungsdelikte diskutiert, ein Fall aus Iowa/USA zeigt jedoch, dass es auch in der Strafvollstreckung darauf ankommen kann, wann der Tod eintritt. Und Ausgangspunkt hierfür war ein simpler Nierenstein.
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung war der heute 66jährige Benjamin Schreiber im Jahr 1997 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er seitdem in Iowa absitzt.
Im März 2015 entwickelte Schreiber einen Nierenstein, der zu einer Vergiftung führte. Er wurde in seiner Zelle bewusstlos aufgefunden, in ein Krankenhaus gebracht und musste dort fünfmal wiederbelebt werden.
Schreiber argumentierte gegenüber dem Bezirksgericht nun, er sei kurzzeitig verstorben gewesen und habe daher seine „lebenslange“ Freiheitsstrafe bereits verbüßt. Mithin sei er nun unrechtmäßig eingesperrt.
Inhaltlich stützt er sich damit auf die lange in der Medizin vorherrschende Sicht, der Todeseintritt werde durch den Herz- und Kreislaufstillstand markiert (sog. klinischer Todesbegiff). Davon ist man jedoch im Zuge der Entwicklung der Intensiv- und Transplantationsmedizin abgewichen. Denn eine Reanimation sei nicht die Wiedererweckung eines Toten sondern die Rettung eines (noch) Lebenden (vgl. Fischer StGB Vor §§ 211-217 Rn. 14). Heute wird die irreversible Beendigung aller Gehirnfunktionen als zentrales Kriterium für den Todeseintritt angesehen.
Entsprechend vermochte das Bezirksgericht der Auffassung Schreibers (oder dessen Rechtsanwalts) nicht zu folgen und auch vor dem Berufungsgericht des Bundesstaates hatte Schreiber kein Glück. Die zuständige Richterin Potterfield schrieb in ihrer Urteilsbegründung:
Entweder lebt Schreiber, dann muss er im Gefängnis bleiben. Oder er ist tot, dann ist dieser Einspruch rein akademisch.
Auf der Post: Verboten und Strafbar sind nicht dasselbe.
Es ist manchmal nicht so einfach mit dem Betrugstatbestand. Nach einem Bericht der LTO war dem Mandanten eines Rechtsanwalts aufgefallen, dass sein Rechtsanwalt offenbar eine Briefmarke doppelt verwendet hatte. Die Marke sei zwar nicht gestempelt gewesen, wohl aber aus einer anderen Postsendung ausgeschnitten und auf eine neue aufgeklebt worden. Der Mandant hatte von seinem Postzusteller, der Nachporto erheben wollte, erfahren, dass das verboten und damit „Betrug“ sei und konfrontierte seinen Anwalt mit diesem ungeheuerlichen Vorwurf per Mail. Die Reaktion des Rechtsanwalts war alles andere als besonnen: Er verlangte unter Fristsetzung die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, künftig nicht mehr zu behaupten, der Anwalt habe einen Betrug begangen, indem er gebrauchte Briefmarken benutzt habe.
Nachdem – nun sicherlich ehemalige – Mandant den Rechtsanwalt wegen der Briefmarke auch noch bei der Kammer angeschwärzt hatte, übersandte der Jurist auch noch eine Rechnung in Höhe von 492,54 Euro aus Anwaltshonorar. Der ehemalige Mandant fühlte sich jedoch im Recht und verweigerte die Zahlung. Daraufhin klagte der Anwalt. Mit einigem Erfolg, denn ein Betrug ist das keineswegs.
Zwar darf man nach den Geschäftsbedingungen der Post unbrauchbar gewordene Briefmarken (etwa weil das Paket, auf dem sie aufgeklebt waren, durchnässt ist, nur in Poststellen gegen neue umtauschen und bereits aufgeklebte Briefmarken nur auf den ursprünglichen Briefumschlag kleben, aber ein Verstoß gegen Geschäftsbedingungen ist nicht dasselbe wie ein Betrug.
Ein Betrug setzt sich aus einer Täuschung des Beschuldigten, einem Irrtum des Geschädigten, einer Vermögensverfügung durch den Geschädigten oder Dritten und schließlich einem Schaden zusammen. Das ergibt sich nicht unbedingt aus dem Wortlaut, ist aber anerkannt.
Hier ist eigentlich alles problematisch.
Das Ausschneiden der Briefmarke (auf LTO gibt es ein Foto vom Brief) und Aufkleben war für die Post derart offensichtlich, dass es zu keiner Fehlvorstellung bei dieser kommen konnte.
Der Postzusteller hatte sich auch nicht geirrt und entsprechend den Geschäftsbedingungen Nachporto verlangt. Nach den Geschäftsbedingungen der Post dürfe man unbrauchbar gewordene „verdorbene“ Briefmarken nur in Poststellen gegen neue umtauschen, bereits aufgeklebte Briefmarken auch nur auf dem ursprünglichen Briefumschlag. Keinesfalls dürfe man sie aber zur Frankierung verwenden. Wenn der Postbote dies aber weiß, die unzulässig aufgeklebte Briefmarke erkennt und nach den Geschäftsbedingungen behandelt, fehlt es an einem Irrtum, sodass allenfalls ein Betrugsversuch in Betracht kommt.
Eine Vermögensverfügung mag im Zustellversuch zu erblicken sein, aber ein Schaden ist weit und breit nicht zu sehen:
Ein (Vermögens-)Schaden ist ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der irrtumsbedingten Vermögensverfügung des Getäuschten.
Hier hatte der Rechtsanwalt das Porto für die Zustellung bezahlt, und diese wurde wurde durchgeführt. Er hätte sogar Anspruch auf Ausstellung einer neuen Briefmarke gehabt, was Verwaltungsaufwand bedeutet hätte. Die Post hat zudem Nachporto erhoben, was im Ergebnis sogar zu einem positiven Saldo geführt hätte, wenn sich der ehemalige Mandant darauf eingelassen hätte.
Nach alledem lag also ein Betrug nicht vor, daher hätte der ehemalige Mandant seinem Rechtsanwalt einen solchen auch nicht vorwerfen dürfen.
Der Mandant hat sich übrigens in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an den Rechtsanwalt 400,00 € zu zahlen und die Vergleichs- und Verfahrenskosten in Höhe von 316,23 € zu übernehmen. Im Ergebnis war es also eine teure Mail.
Es mag alles der Rechtslage entsprechen. Ob der Rechtsanwalt aber gleich mit der Übersendung einer Unterlassungserklärung reagieren musste oder sich vielleicht lieber ein etwas dickeres Fell zulegt, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt.
Blogrundschau Strafrecht (08.11.2019)
Burhoff zum Beschluss des BGH, vom 29.08.2019 – 5 StR 103/19, in dem dieser zum Ausdruck brachte, der Urteil des Landgerichts auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin auch ohne Anwesenheit des Angeklagten in der Revisionshauptverhandlung verwerfen zu wollen. Und zu können.
Strafrechtsblogger zum Beschluss des OLG Köln vom 04. April 2019 zum Aktenzeichen 2 Ws 122/19, wonach die Einwilligung eines Boxers in die durch seinen Gegner voraussichtlich im Rahmen des Boxkampfes zu verursachenden Körperverletzungen unwirksam ist, wenn der Gegner Dopingmittel eingenommen hat.
Udo Vetter listet neue vom Bundeskabinett gerade beschlossene Maßnahmen zum Schutz der Radfahrer im Straßenverkehr auf. Ich verweise auch auf die Diskussion in den Kommentaren, wo einige Punkte noch einmal konkretisiert werden.