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Müller/Opper/von Stetten – Berufsrisiken des Strafverteidigers – in 2. Auflage erschienen

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14 Jahre später ist nun die 2. Auflage der „Berufsrisiken des Strafverteidigers“ erschienen. Während Dr. Eckhart Müller weiterhin einer der Autoren geblieben ist, hat Rechtsanwalt Klaus Gussmann das Team verlassen. An seine Stelle sind getreten, die Fachanwälte für Strafrecht Florian Opper und Dr. Annette von Stetten.

In dem Zeitraum von 14 Jahren sind eine Reihe von Gesetzesänderungen erfolgt, die speziell auch die Rolle des Strafverteidigers betreffen. Hervorzuheben sind insbesondere:

  • Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009
  • Gesetz zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwälten im Strafprozess vom 22. Dezember 2010
  • Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017

Darüber hinaus wurde selbstverständlich auch die Rechtsprechung seit 2007 und die neu erschienene Literatur sorgfältig eingearbeitet.

Das Buch kostet 49,00 € und wendet sich in erster Linie an Strafverteidiger, aber auch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte.

Der bewährte dreiteilige Aufbau des Werkes ist beibehalten worden:

Im 1. Teil wird zunächst auf knapp 100 Seiten das einschlägige Straf- und Berufsrecht behandelt. Hierbei werden ausführlich die Risiken beim Umgang mit Mandanten – zu nennen sind hier beispielsweise die Strafvereitelung, die Prävarikation, die Beihilfe zur Straftat des Mandanten und verbotener Verkehr mit Gefangenen – beschrieben. Sodann werden die Risiken beim Umgang mit Dritten, Geld, Kollegen und Hilfspersonen sowie Behörden und Gerichten näher beleuchtet.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit prozessualen Besonderheiten, wie Durchsuchung und Beschlagnahme in der Anwaltskanzlei, strafrechtliches Berufsverbot und Ausschlussverfahren gem. § 138a StPO.

Abschließend wird das berufsgerichtliche Verfahren noch kurz dargestellt, wobei das Verhältnis zum allgemeinen Strafrecht, Maßnahmen des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer und das anwaltsgerichtliche Verfahren erläutert werden.

Das Werk brilliert nicht nur mit seiner klaren Struktur, sondern klärt auch noch umfassend und zuverlässig über alle straf- und zivilrechtlichen Risiken der Strafverteidigung auf. Die Fallbeispiele erhöhen den Bezug zur Praxis und helfen, die nicht immer einfachen Themen zu verstehen und besser nachzuvollziehen. Auch die Praxistipps tragen zum besseren Verständnis bei und geben wertvolle Ratschläge, wie mit bestimmten häufig in der Strafverteidigerpraxis auftretenden Problemen umzugehen ist.

Des Weiteren ist dieses Buch ein reines Lesevergnügen, was nicht nur auf die klar strukturierte Gliederung zurückzuführen ist, sondern auch auf den Schreibstil und die mithilfe des Fettdrucks hervorgehobenen Schlüsselbegriffe. Die Fußnoten sind auf das Wesentliche beschränkt und der Leser findet zahlreiche gerichtliche Entscheidungen des BGH, der OLG und des BVerfG sowie weiterführende Literatur, wodurch eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen größeren Problemkreisen ermöglicht wird.

Zusammenfassend ist dieses Buch unverzichtbar für jeden jungen Kollegen, dem bestimmte Berufsrisiken noch nicht bekannt sind und für jeden alten Routinier, der möglicherweise einige Berufsrisiken zu unterschätzen beginnt. Aber auch Rechtsreferendare, die sich für die Berufsrichtung des Strafverteidigers interessieren, können von dem Inhalt dieses Bandes, den man angesichts von übersichtlichen gut 150 Textseiten schnell durchgearbeitet hat, durchaus profitieren.

Müller/Opper/von Stetten – Berufsrisiken des Strafverteidigers, 2. Auflage, Beck-Verlag, München 2022, 153 Seiten, 49,00 €.

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StA Berlin: Neue Schwerpunktstaatsanwaltschaft für EncroChat-Verfahren

Es war eine Frage der Zeit: Nach einem Bericht von LTO hat die Staatsanwaltschaft Berlin eine neue Schwerpunktabteilung für EncroChat-Verfahren gegründet, in der neben dem Abteilungsleiter sieben Staatsanwälte tätig sein sollen. Aktuell seien 80 Ermittlungsverfahren anhängig, in zehn Fällen sei Anklage erhoben worden, in fast jedem Fall zum Landgericht.

EncroChat war ein in Europa ansässiger Dienstleistungsanbieter, der Lösungen für Ende-zu-Ende verschlüsselte Instantmessenger und Endgeräte (Krypto-Handys) anbot. Im Frühsommer 2020 infiltrierten französische Ermittlungsbehörden das System und fischten Millionen Nachrichten, zuweilen auch aus kriminellen Milieus, ab. Danach nahm die Bedeutung von EncroChat erheblich ab.

Über die Verwertbarkeit der Erkenntnisse ist noch nicht abschließend entschieden worden. Das Landgericht Berlin hatte 2021 in einem mutigen Beschluss die Verwertbarkeit verneint, das Kammergericht (und andere Oberlandesgerichte) sah es jedoch anders.

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Beleidigung und Körperverletzung vor Supermarkt – Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO

Unser Mandant erhielt einen Strafbefehl. Darin wurde ihm vorgeworfen, den stellvertretenden Marktleiter eines Supermarkts mit den Worten „Nazisau, Rockerschwein“ beschimpft und ihn in das Gesicht gespuckt zu haben. Zudem soll unser Mandant mit dem rechten Bein in Richtung des Zeugen getreten und ihn am linken Oberschenkel getroffen haben. Hintergrund der Auseinandersetzung waren Unstimmigkeiten darüber, ob unser Mandant mit seinem minderjährigen Kind trotz Pandemieverordnung den Supermarkt betreten dürfe.

Nach Akteneinsicht kamen bereits erhebliche Zweifel auf, ob der Zeuge den Sachverhalt wahrheitsgemäß beschrieben hatte. Es irritierte bereits, dass der Zeuge in den verschiedenen Vernehmungssituationen ganz unterschiedliche Funktionen bekundete, die er in dem Markt ausgeübt haben will. Zunächst erklärte er, als Sicherheitsmitarbeiter tätig gewesen zu sein. In seiner späteren Vernehmung gab er an, stellvertretender Marktleiter zu sein.

Zudem hatte das Spucken und die Beleidigungen lediglich der angebliche Marktleiter, nicht aber weitere Mitarbeiter gesehen, obgleich letztere aufgrund ihrer beruflichen Stellung ebenfalls im Lager des Zeugen zu vermuten gewesen wären.

Die Handlungen unseres Mandanten waren jedoch nicht gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Daher regte Rechtsanwalt Stern an, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Rechtsanwalt Stern führte aus, dass die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Berufstätigkeit unseren Mandaten schnell an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht hatten. Dass man sich unter diesen Umständen nicht in jeder sozialen Situation so verhält, wie es Sitte ist, erschien menschlich nachvollziehbar.

Das Amtsgericht schloss sich der Auffassung von Rechtsanwalt Stern im Ergebnis an und stellte das Verfahren gegen Zahlung einer geringen Geldauflage ein.

Dadurch unterblieb eine Eintragung in das Bundeszentralregister. Unser Mandant gilt weiterhin als unschuldig.

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Körperverletzung/häusliche Gewalt – Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 153 Abs. 2 StPO wegen hypothetisch geringer Schuld ohne Auflagen eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen an zwei Tagen seine damalige Freundin körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben. Er soll sie zu Boden geworfen haben, obwohl er Schuhe anhatte, ins Gesicht getreten haben, an den Haaren durchs Zimmer geschleift und gegen die Wand geschleudert haben. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin wurde ihm daher gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 vorgeworfen. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem halben Jahr bestraft, wer die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begeht.

Nach Beauftragung der Verteidigung schickte unser Mandant uns zunächst seinen umfangreichen Whats-App-Chatverlauf mit der Geschädigten. Daraus ging hervor, dass die beiden eine sehr schwierige und sehr von Streitigkeiten geprägte Beziehung hatten. Unser Mandant und die Geschädigte hatten sich nicht nur mehrmals körperlich gegenseitig angegriffen, sondern haben auch beide ein Drogenproblem. Zudem leidet die Geschädigte unter einer bipolaren Störung. Bei dieser psychischen Erkrankung leidet die betroffene Person unter manischen und depressiven Stimmungsschwankungen.

In der Hauptverhandlung erklärte Rechtsanwalt Stern im Namen unseres Mandanten sodann, dass sich die vorgeworfenen Handlungen so zugetragen haben. Allerdings sollten diese lediglich dazu dienen, die Geschädigte, die sich erheblich gegen das Verlassen der Wohnung unseres Mandaten wehrte, aus der Wohnung zu schaffen. Schließlich führten sie zu diesem Zeitpunkt bereits keine Beziehung mehr.

Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde die Geschädigte als Zeugin durch Rechtsanwalt Stern ausdauernd und intensiv vernommen. Sie gab daraufhin zu, dass sie unserem Mandaten beim zweiten Geschehen eine Vase auf den Kopf geworfen habe. Somit beruhte diese gewalttätige Auseinandersetzung auf Gegenseitigkeit und die Geschädigte trug einen erheblichen Anteil am gesamten Geschehen bei.

Darüber hinaus standen unser Mandant und die Geschädigte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in keinerlei Kontakt mehr zueinander.

Nachdem Rechtsanwalt Stern verschiedene Beweisanträge angekündigt hatte, schlug das Gericht eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO vor. Diesem Vorschlag stimmten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch unser Mandant zu. Infolgedessen unterblieb eine Eintragung in das Bundeszentralregister. Unser Mandant gilt daher weiterhin als unschuldig. Mit diesem Ergebnis war unser Mandant sehr zufrieden.

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Raubvorwurf – Verfahren in der Hauptverhandlung ohne Auflagen oder Weisungen eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, in Berlin-Kreuzberg gemeinsam mit einem Mitbeschuldigten einem Drogendealer Marihuana unter Einsatz von Faustschlägen in das Gesicht weggenommen zu haben. Erst als die Polizei hinzugekommen sei, hätten mein Mandant und der Mitbeschuldigte von dem Drogendealer abgelassen.

In der Hauptverhandlung gab Rechtsanwalt Stern für unseren Mandanten eine Erklärung ab, wonach es ihm allein darum gegangen sei, das Marihuana zu entwenden, damit es nicht in den Verkauf gelange. Zudem habe der Dealer die Drogen auch an Minderjährige verkauft.

Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Mandanten sprach entscheidend, dass dieser das Eintreffen der Polizei abgewartet hatte und der Dealer schließlich geflohen sei. Dass es auch um einen Revierverteilungskampf gehandelt haben könnte, wurde in der Hauptverhandlung nicht erwogen.

Im Ergebnis wurde das Verfahren ohne Auflagen oder Weisungen im Hinblick auf einen kurzen Aufenthalt unseres Mandanten in der Gefangenensammelstelle eingestellt. Unser Mandant war mit diesem Ergebnis sehr zufrieden.

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Vorwurf des Computerbetrugs und der Geldwäsche – Verfahren eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, die Banking-App einer Geschädigten gehackt zu haben. Hierbei soll er nicht autorisierte Überweisungen auf sein eigenes Bankkonto getätigt haben. Das Gesetz sieht bei Computerbetrug im Rahmen des § 263a StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Der Mandant gab an, er habe lediglich in einem Online-Forum Bitcoin in Euro umtauschen wollen.

Ein unbekannter Vermittler habe unserem Mandanten angeboten, diesen Tausch mit ihm abzuwickeln. Nachdem dieses Tauschgeschäft jedoch nicht zustande gekommen sei, habe sich unser Mandant von dem Vermittler abgewandt. Dennoch habe er seine für den Tausch geforderte Summe erhalten, ohne je seine Bitcoins als Gegenleistung abgegeben zu haben.

Dass dieser Geldbetrag von einem gehackten Bankkonto stammen sollte, habe unser Mandant nicht geahnt. Eine Aufforderung des Vermittlers die Summe zurückzuzahlen, sei ausgeblieben.

Nach ausgiebiger Auswertung der vom Mandanten bereitgestellten Screenshots, welche die Chatverläufe mit dem unbekannten Vermittlerdarstellten zeigten, ließ sich fundiert darstellen, dass unser Mandant wohl nicht für die unautorisierten Überweisungen verantwortlich war und es für unseren Mandanten keinerlei Hinweise darauf gab, dass der erhaltene Betrag rechtswidrig erlangt war. In der folgenden Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft erläuterte Rechtsanwalt Stern ausführlich die fehlende Strafbarkeit des Mandanten. Er selbst sollte getäuscht werden. Auch für die Annahme einer Geldwäschestrafbarkeit blieb kein Raum.

Die Staatsanwaltschaft stellte sodann das Strafverfahren gegen unsere Mandanten gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdachts. ein, worüber dieser sehr erleichtert war. Der Geldbetrag verblieb zunächst bei unserem Mandanten.

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Oberlandesgericht Celle entscheidet zur Maskenpflicht in Gerichtsverhandlungen

n einem Strafverfahren am Landgericht Hildesheim ordnete der Vorsitzende Richter an, in der Hauptverhandlung medizinische Masken zu tragen. Der Verteidiger eines Angeklagten weigerte sich wiederholt, diese Anordnung zu befolgen. Er legte auch auf Nachfrage kein ärztliches Attest vor, dass ihm das Tragen solcher Masken aus medizinischen Gründen nicht zuzumuten wäre. Das Landgericht hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt, in dem schon eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt worden war, was zur Folge hat, dass die Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden muss. Die hierdurch entstandenen Kosten hat es dem Verteidiger auferlegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle mit Beschluss vom 15. April 2021 als unbegründet verworfen (Az.: 3 Ws 91/21). Die Anordnung, in Gerichtsverhandlungen medizinische Masken zu tragen, ist nach Auffassung des Senats regelmäßig nicht nur zulässig, sondern vielmehr aus Gründen des Infektionsschutzes „dringend geboten“. Abgesehen von einzelnen in der Öffentlichkeit geäußerten „irrationalen Erwägungen“ bestünden keine ernsthaften Zweifel, dass medizinische Masken das Infektionsrisiko senkten. Andere Maßnahmen – etwa das Einhalten von Abständen zwischen den Personen und regelmäßiges Lüften – böten für sich genommen keinen vergleichbaren Schutz. Die Anordnung einer Maskenpflicht sei auch verhältnismäßig gewesen, zumal der Vorsitzende Richter Ausnahmen für diejenigen Verfahrensbeteiligten zugelassen hatte, denen das Wort erteilt wurde. Der Verteidiger habe durch sein schuldhaftes und zudem „rücksichtsloses und unverantwortliches“ Verhalten eine Fortsetzung der Hauptverhandlung unmöglich gemacht. Eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit einem neuen Verteidiger sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil dieser sich nicht ausreichend zeitnah in das umfangreiche Verfahren hätte einarbeiten können. Deshalb sei es auch richtig, dass der Verteidiger die durch die Aussetzung des Verfahrens entstandenen Kosten tragen müsse.

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Stellungnahme von RA Stefan Conen zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen anlässlich der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages online

Der Republikanische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälteverein (RAV) hat endlich die Stellungnahme von RA Stefan Conen zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen online gestellt.

Conen sieht im Einsatz von V-Personen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff jedenfalls in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Er fordert, dass die V-Personen-Führung in der Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft liegen sollte, dass die Aktenführung hinsichtlich der V-Personen gesetzlich festzulegen sei (insbesondere auch die Höhe der Entlohnung der V-Personen) und dass bei der Kodifizierung die Rechtsprechung von BGH (insb. BGH NStZ 2014, 277 und EGMR (EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany) berücksichtigt werden müsse.

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RAV fordert Aufhebung aller nicht eilbedürftigen Verhandlungstermine

In einem offenen Brief fordert der Republikanische Anwaltsverein die Aufhebung aller nicht dringenden Verhandlungstermine und die Aussetzung des Personalberechnungssystems. Die Berliner Strafverteidigervereinigung hat sich diesem Brief bezüglich der für das Strafrecht relevanten Punkte 1 und 2 angeschlossen.

Hier die relevanten Stellen im Wortlaut:


Für den RAV steht aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation und vor dem Hintergrund der in diesem Zusammenhang bisher ergriffenen Maßnahmen fest:
Auch die Behörden und die Justiz sind in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung des Virus zu unterbinden.
Die Aufrufe zum gesellschaftlichen Zusammenhalt verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn sich die Einschränkungen auf den Privatbereich fokussieren und nicht auch seitens der Behörden und
der Justiz die erforderlichen Anstrengungen unternommen werden.

Vor diesem Hintergrund hält der RAV u.a. folgende Maßnahmen für unabdingbar:
• Sämtliche nicht eilbedürftigen Gerichtstermine sind unverzüglich aufzuheben.
• Das Personalbedarfsberechnungssystem (PEBB§Y) der Justiz ist vorübergehend außer Kraft zu setzen und die Situation in den Gerichtssälen der Pandemie anzupassen.


Zur Aussetzung aller nicht eilbedürftiger Gerichtstermine
Viele Gerichtsverhandlungen, die aufschiebbar wären, finden nach wie vor statt. Selbstverständlich müssen in Haft- und Gewaltschutzsachen, in Verfahren, die das Kindeswohl betreffen und in dringenden Betreuungsangelegenheiten auch während des Lockdown
Gerichtsverhandlungen durchgeführt werden, wenn damit keine konkreten und erheblichen Gesundheitsgefährdungen einhergehen.
Hier in Rede stehen aber zahlreiche Strafverhandlungen, die keine Haftsachen sind, sowie Verhandlungen in Asylsachen und in anderen Verfahren, die bereits seit Jahren an den Verwaltungsgerichten anhängig sind und ohne Probleme verschoben werden können. Jede Gerichtsverhandlung führt zu einer Steigerung der Gesundheitsgefährdung der Verfahrensbeteiligten. Zu jedem Gerichtstermin kommen zahlreiche Verfahrensbeteiligte, oft auch aus unterschiedlichen Regionen, die alle eine Vielzahl weiterer beruflicher und sozialer Kontakte pflegen. Gerade solche Zusammenkünfte sollen aber im Sinne des Pandemieschutzes – soweit möglich – vermieden werden. Aufschiebbare Termine sind daher aufzuheben und für die Zeit nach dem Lockdown neu zu terminieren. Selbstverständlich obliegt es jeder Richterin und jedem Richter, vor dem Hintergrund der richterlichen Unabhängigkeit diese Entscheidung
zu treffen. Allerdings sollte auch seitens der Justizverwaltung ein verantwortungsvoller Umgang mit der jeweilszu treffenden verfassungsrechtlichen Abwägung in den Blick genommen werden. Zu berücksichtigen ist auch: Der Grundsatz, ›Wir bleiben zu Hause‹, steht einer der Öffentlichkeit tatsächlich zugänglichen Gerichtsverhandlung diametral gegenüber. Dem Großteil der Bevölkerung dürfte noch nicht einmal bewusst sein, dass der Besuch einer Gerichtsverhandlung zur Sicherstellung von Öffentlichkeit einen »triftigen Grund« für das Verlassen der Häuslichkeit darstellt.

Zur Aussetzung des Personalberechnungssystems und Situation in den Gerichtssälen
Seitens des RAV wird nicht verkannt, dass eine Aufhebung von Gerichtsterminen im Lockdown zu Einschränkungen bei der Rechtspflege führt. Einschränkungen betreffen aber eine Vielzahl weiterer relevanter gesellschaftlicher Bereiche, wie Bildung, Kultur, Religion und spezifische
wirtschaftliche Bereiche, wie etwa die Gastronomie. Ein etwaig bestehender Erledigungsdruck für die Gerichte kann auch durch eine Aussetzung des
Personalberechnungssystems PEBB§Y genommen werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich eine neue, noch ansteckendere Mutation des Virus herausgebildet hat, sind jetzt alle angehalten, ihren Beitrag zu leisten, um eine Eindämmung des Virus zu ermöglichen und damit auch eine Rückkehr zu einer Normalität in Aussicht zu stellen. Die bisher in den meisten Gerichten ergriffenen Maßnahmen sind für den Gesundheitsschutz nicht ausreichend. So ist schon die Einhaltung der Abstandsregeln häufig nicht gewährleistet. In Anbetracht der Tatsache, dass während der Verhandlung meist vom Tragen eines Mund-NasenSchutzes abgesehen wird, dürfte auch in größeren Räumlichkeiten ein effektiver Hygieneschutz nicht gegeben sein. Auch Plexiglasscheiben und -kästen schaffen nur bedingt Abhilfe. Wenn sie überhaupt vorhanden sind – was in einer Vielzahl von Gerichten nach wie vor nicht der Fall ist – , sind sie nach mehreren Seiten offen und es finden häufig Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten – bspw. bei Inaugenscheinnahmen – statt, bei denen die Verfahrensbeteiligten nahe beieinander stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Wegerisiko in die Sphäre der Verfahrensbeteiligten verschoben wird. Denn aus gesetzlicher und/oder beruflicher Verpflichtung heraus besteht ein Teilnahmezwang an der Verhandlung.

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Manchmal sind es die kleinen Dinge: angeblicher Fahrraddieb erhält Bolzenschneider und Klappfahrrad zurück

Unser Mandant wandte sich an die Rechtsanwaltskanzlei Stern | Strafrecht, weil ihm vorgeworfen worden war, ein Fahrrad gestohlen zu haben. Insbesondere fragte er, ob ihm der Bolzenschneider herausgegeben werden könnte, der bei der Festnahme beschlagnahmt worden war. Diese lag nun schon ein Jahr zurück.

Rechtsanwalt Stern nahm Akteneinsicht und bemerkte, dass das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war, aber eine Belehrung über die Rechte des seinerzeit Beschuldigten im Hinblick auf die Herausgabe der sichergestellten Sachen nicht erfolgt war. Somit liefen noch keine Fristen nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz. Zudem konnte das Klappfahrrad niemandem zugeordnet werden.

Rechtsanwalt Stern beantragte sodann die Herausgabe der beiden Gegenstände, die kurz darauf über die Asservatenstelle im Kriminalgericht erfolgte.

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