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Unterbindung und Einschränkung anwaltlicher Tätigkeiten bei dem Versammlungsgeschehen am Wochenende in Leipzig nach den Urteilen im „Antifa-Ost“-Prozess

Im Rahmen der Proteste gegen die Verurteilung von Antifaschist*innen vorletzte Woche und gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Leipzig kam es als Reaktion hierauf verschiedentlich zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Sächsische Polizei. Insbesondere setzte die Polizei am Samstag, den 03.06.2023 etwa 1.000 ehemalige Teilnehmer*innen einer Versammlung in einem sogenannten „Leipziger Kessel“ am Alexis-Schumann-Platz fest.

»Der RAV verurteilt das Vorgehen der Polizei aufs Schärfste. Rechtswidrig wurde den Betroffenen der Zugang zu vor Ort anwesenden Anwält*innen verweigert. Dass der sächsische Innenminister das fehlerhafte Vorgehen der Polizei beim „Leipziger Kessel“ deckt und Aufklärung verweigert, ist Ausdruck eines völlig verschobenen Diskurses, der autoritäre und rechte Strömungen weiter befeuert.«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 6 III c der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie § 137 Abs. 1 der Strafprozessordnung garantieren allen Beschuldigten in Strafverfahren, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem/einer Anwält*in verteidigen zu lassen. Mehreren im RAV organisierten Rechtsanwält*innen wurde trotz dieses grundlegenden Anspruchs der Betroffenen auf rechtlichen Beistand beim Leipziger Kessel der Kontakt mit sich darin befindenden Personen verweigert – und das, obwohl die Polizei bereits um 19:00 Uhr per Durchsage die Betroffenen als Beschuldigte in einem Strafverfahren über ihr Recht, sich anwaltlichen Beistand zu suchen, informierte.

So wurde schon zu Beginn dieses „Leipziger Kessels“ einer Kollegin das Gespräch oder auch nur die räumliche Annäherung an im Kessel befindliche Personen – notwendig zur ersten Kontaktaufnahme – verwehrt, obwohl zunächst Rufe nach Beistand zu vernehmen waren. Selbst eine Nachfrage bei den Betroffenen durch Polizeibeamt*innen, ob sie Kontakt mit der anwesenden Anwältin wünschten, wurde durch die Polizei ausgeschlossen.

Weitere Versuche von Kolleg*innen, den Betroffenen Beistand zu leisten, wurden über die folgenden Stunden hinweg trotz Insistierens der Anwält*innen durch die Polizei verhindert. Erst gegen Mitternacht durften einige wenige Kolleg*innen in den abgesperrten Bereich und dort mit einzelnen minderjährigen Betroffenen sprechen. Dass diese, sich bereits seit Stunden im Kessel befindenden Jugendlichen in der Menge der Personen vor Ort durch die Anwält*innen gesucht werden konnten, wurde durch die Polizei vorher ebenso abgelehnt, wie der Vorschlag, dass dann die Beamt*innen die betreffenden Minderjährigen ausfindig machen könnten. Eine „bevorzugte Abarbeitung von Minderjährigen“ war hier nicht zu erkennen.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Mark Feilitzsch aus Dresden:

»Den etwa 1.000 Menschen im Leipziger Kessel wurde erklärt, dass sie Beschuldigte in einem Strafverfahren seien und das Recht hätten, einen Verteidiger hinzuzuziehen. Tatsächlich hat die Polizei jedoch genau das verhindert. Es ist zunehmend zu beobachten, dass im Zusammenhang mit politischen Protesten die anwaltliche Berufsausübung und damit der Zugang der Betroffenen zu rechtlichen Beistand behindert wird. Wenn – wie nun dieses Wochenende in Leipzig – viele Betroffene von den Nachmittagsstunden bis in den frühen Morgen ohne jeden Zugang zu anwaltlichem Beistand bleiben mussten, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.«

Aber nicht nur den Rechtsanwält*innen wurde der Zugang zu den Betroffenen verwehrt. Auch den am Polizeikessel erschienenen und nachfragenden Eltern wurden ihre Kinder stundenlang vorenthalten. Selbst bei den anschließenden Maßnahmen der Belehrung der Minderjährigen, der Beschlagnahme von deren Telefonen, Durchsuchung und Identitätsfeststellung wurde den Eltern kein Anwesenheitsrecht eingeräumt. Die durch das stundenlange Festhalten eingeschüchterten und erschöpften Jugendlichen wurden aufgefordert, an polizeilichen Maßnahmen mitzuwirken und z.B. die PIN ihrer beschlagnahmten Telefone herauszugeben.

Dazu erklärt Rechtsanwältin Rita Belter aus Leipzig:

»Das Verhalten der Einsatzbeamt*innen verletzte in willkürlicher Weise die Rechte der Betroffenen und die der Sorgeberechtigten. Nun werden sich die Gerichte mit einer Vielzahl von Erlebnissen und der Feststellung deren Rechtswidrigkeit auseinandersetzen müssen.«

Eine weitere freiheitsentziehende Maßnahme wurde am 03.06.2023 vor dem Amtsgericht Leipzig vollzogen. Dort wurden ca. 20 – 25 Personen plötzlich von Polizeikräften zusammengedrängt und mit der Begründung, anlasslose Identitätsfeststellungen im Kontrollbereich vornehmen zu wollen, über zwei Stunden festgehalten. Die Identitätsfeststellung wurde – obwohl mehrfach angemahnt – erst 90 Minuten nach Kesselung begonnen. Zusätzlich erhielten alle dort Anwesenden einen grundlosen Platzverweis. Betroffen von diesen Maßnahmen war auch eine Rechtsanwältin, die unmittelbar nach der Haftvorführung ihres Mandanten bei dem Verlassen des Leipziger Amtsgerichts von den Polizeibeamt*innen mit in diesen Kessel gedrängt wurde und der ein Platzverweis nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Ort ihrer Kanzlei ausgesprochen wurde.

Verschiedentliche Versuche, eine Begründung für die nicht nachvollziehbaren Maßnahmen zu erhalten, scheiterten. Widersprüche wurden nicht aufgenommen.

Auch mit diesem Vorfall werden sich die Gerichte beschäftigen müssen: Die betroffene Kollegin erhebt nun Klage zum Verwaltungsgericht gegen diesen schweren Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit.

Ebenfalls wurde am darauf folgenden Sonntag jede Versammlung an der Gefangenensammelstelle an der Hauptwache der Polizei in Leipzig mit Verweis auf die Allgemeinverfügung (‚Versammlungsverbot‘) unterbunden. Als am Sonntag wartende Eltern, Angehörige und Freund*innen der (teilweise vorläufig) Festgenommenen an der Dimitroffstrasse auf die Entlassung der Festgenommenen aus dem „Leipziger Kessel“ warteten und versuchten, eine Versammlung anzumelden, wurden sie ebenfalls durch die Polizei gekesselt und Identitätsfeststellungsmaßnahmen unterzogen.

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Gesamtschau aller Indizien bei Beurteilung der Erfolgsaussichten der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB

Der Angeklagte wurde vom Landgericht wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Überdies wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist.

In der schriftlichen Urteilsbegründung bemängelt der zweite Senat die lückenhafte Erörterung bezüglich der hinreichend konkreten Aussicht auf einen Maßregelerfolg, die nach § 64 S. 2 StGB jedoch erforderlich ist.

Für eine Solche hinreichend konkrete Aussicht müssen sich in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie finden lassen (BGH, Beschluss v. 20. März 2023 – 2 StR 479/21, Rn. 9; BGH, Beschluss v. 1. Oktober 2020 – 3 StR 325/20, juris, Rn. 4).

In der landgerichtlichen Entscheidung wurde die dissoziale Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten als negativer Faktor gewertet. Positiv sei jedoch seine Fähigkeit zur phasenweisen Abstinenz sowie das bisherige Fehlen von Therapieversuchen zu berücksichtigen.

Diese Indizien sind aus Sicht des BGH nicht ausreichend. Einbezogen werden soll überdies der soziale Empfangsraum des Angeklagten. Dieser umfasst beispielsweise folgende Aspekte: Familienstand, schulische und berufliche Ausbildung, das Vorhandensein einer Arbeitsstelle. Die Einbeziehung solcher Indizien muss im Rahmen einer Gesamtschau aller Indizien, die für und gegen eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sprechen, erfolgen.

Quelle: BGH, Beschluss v. 30. März 2023 – 2 StR 479/21

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Meyer-Goßner/ Schmitt – Strafprozessordnung: StPO in 66. Auflage erschienen

Der Standardkommentar Meyer-Goßner/ Schmitt zur Strafprozessordnung, dem Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetzen und ergänzenden Bestimmungen ist am 03. Mai 2023 in 66. Auflage erschienen.

Das Werk ist Teil der Reihe Beck´sche Kurz-Kommentare und zur Zweiten Juristischen Staatsprüfung in allen Bundesländern zugelassen.

Der Kommentar zeichnet sich durch seine umfassende Darstellung des Strafprozessrechts aus. Es bietet eine detaillierte Analyse aller relevanten Vorschriften, einschließlich der neuesten Änderungen und Entwicklungen. Die Darstellungen erfolgen in klarer und verständlicher Sprache und weisen dabei die erforderliche Präzision und Tiefe auf.

Überdies ist das Werk sehr benutzerfreundlich gestaltet. Dabei überzeugen insbesondere die gute Strukturierung, klare Gliederung und der Fettdruck von Schlüsselbegriffen, um so schnell zu den relevanten Informationen zu gelangen. Unterstützt wird dies durch das Stichwortverzeichnis.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Aktualität des Kommentars. Die Neuauflage ist durchgehend auf dem Bearbeitungsstand vom März 2023 und berücksichtigt alle aktuellen Entwicklungen im Strafverfahrensrecht für den Zeitraum März 2022 bis März 2023. Unter anderen werden einbezogen:

  • das Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2022, zur elektronischen Erhebung der Bankenangabe und zur Änderung der StPO vom 25. März 2023
  • das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II vom 19. Dezember 2022

Der Standardkommentar ist mit seinen 1439 g und 2.867 Seiten sehr handlich und komprimiert, was jedoch keine Auswirkung auf die Qualität der Darstellungen hat. Diese befassen sich umfassend mit allen Fragen des Strafprozessrechts. Dabei wird unter anderem die aktuelle Rechtsprechung ausgewertet und einbezogen. Ein Augenmerk wird dabei auf die Entscheidungen des BGH und der OLG zu folgenden Themen gelegt:

  • neuen Pflichtverteidigerrecht
  • zur Reichweite des Verwertungsverbots in § 136 III 2 StPO
  • zum Selbstleseverfahren
  • zu den Mitteilungspflichten über Verständigungsgespräche nach ausgesetzter Hauptverhandlung
  • zur verfahrensübergreifenden Gesamtlösung bei Absprachen
  • zu den revisionsrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen § 29 III 1 StPO
  • zur Befangenheit durch Vorbefassung bei Urteilen gegen Mittäter
  • zur Anwendbarkeit des § 29 III I Nr. 1 auf Ergänzungsrichter
  • Befangenheit einer Schöffin und Selbstanzeige
  • Entscheidungen des BGH und der OLG zu § 32d S. 2 StPO

Darüber hinaus werden auch Grundsatzentscheidungen des BVerfG, EGMR, EuGH sowie die neueste Literatur umfassend eingearbeitet.

Der Preis von 109,00 Euro erscheint für den Kommentar aufgrund seiner inhaltlichen Qualität und seines Umfangs von 2.867 Seiten angemessen.

Eine Leseprobe zur aktuellen Ausgabe befindet sich im Beck-Shop: https://www.beck-shop.de/meyer-gossner-schmitt-strafprozessordnung-stpo/product/34603955

Meyer-Goßner/ Schmitt, Strafprozessordnung, Kommentar, 66. Auflage, Beck, München 2023, 2.867 Seiten, 109 Euro

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Müller/Opper/von Stetten – Berufsrisiken des Strafverteidigers – in 2. Auflage erschienen

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14 Jahre später ist nun die 2. Auflage der „Berufsrisiken des Strafverteidigers“ erschienen. Während Dr. Eckhart Müller weiterhin einer der Autoren geblieben ist, hat Rechtsanwalt Klaus Gussmann das Team verlassen. An seine Stelle sind getreten, die Fachanwälte für Strafrecht Florian Opper und Dr. Annette von Stetten.

In dem Zeitraum von 14 Jahren sind eine Reihe von Gesetzesänderungen erfolgt, die speziell auch die Rolle des Strafverteidigers betreffen. Hervorzuheben sind insbesondere:

  • Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009
  • Gesetz zur Stärkung des Vertrauensverhältnisses zu Rechtsanwälten im Strafprozess vom 22. Dezember 2010
  • Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017

Darüber hinaus wurde selbstverständlich auch die Rechtsprechung seit 2007 und die neu erschienene Literatur sorgfältig eingearbeitet.

Das Buch kostet 49,00 € und wendet sich in erster Linie an Strafverteidiger, aber auch Strafverfolgungsbehörden und Gerichte.

Der bewährte dreiteilige Aufbau des Werkes ist beibehalten worden:

Im 1. Teil wird zunächst auf knapp 100 Seiten das einschlägige Straf- und Berufsrecht behandelt. Hierbei werden ausführlich die Risiken beim Umgang mit Mandanten – zu nennen sind hier beispielsweise die Strafvereitelung, die Prävarikation, die Beihilfe zur Straftat des Mandanten und verbotener Verkehr mit Gefangenen – beschrieben. Sodann werden die Risiken beim Umgang mit Dritten, Geld, Kollegen und Hilfspersonen sowie Behörden und Gerichten näher beleuchtet.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit prozessualen Besonderheiten, wie Durchsuchung und Beschlagnahme in der Anwaltskanzlei, strafrechtliches Berufsverbot und Ausschlussverfahren gem. § 138a StPO.

Abschließend wird das berufsgerichtliche Verfahren noch kurz dargestellt, wobei das Verhältnis zum allgemeinen Strafrecht, Maßnahmen des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer und das anwaltsgerichtliche Verfahren erläutert werden.

Das Werk brilliert nicht nur mit seiner klaren Struktur, sondern klärt auch noch umfassend und zuverlässig über alle straf- und zivilrechtlichen Risiken der Strafverteidigung auf. Die Fallbeispiele erhöhen den Bezug zur Praxis und helfen, die nicht immer einfachen Themen zu verstehen und besser nachzuvollziehen. Auch die Praxistipps tragen zum besseren Verständnis bei und geben wertvolle Ratschläge, wie mit bestimmten häufig in der Strafverteidigerpraxis auftretenden Problemen umzugehen ist.

Des Weiteren ist dieses Buch ein reines Lesevergnügen, was nicht nur auf die klar strukturierte Gliederung zurückzuführen ist, sondern auch auf den Schreibstil und die mithilfe des Fettdrucks hervorgehobenen Schlüsselbegriffe. Die Fußnoten sind auf das Wesentliche beschränkt und der Leser findet zahlreiche gerichtliche Entscheidungen des BGH, der OLG und des BVerfG sowie weiterführende Literatur, wodurch eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen größeren Problemkreisen ermöglicht wird.

Zusammenfassend ist dieses Buch unverzichtbar für jeden jungen Kollegen, dem bestimmte Berufsrisiken noch nicht bekannt sind und für jeden alten Routinier, der möglicherweise einige Berufsrisiken zu unterschätzen beginnt. Aber auch Rechtsreferendare, die sich für die Berufsrichtung des Strafverteidigers interessieren, können von dem Inhalt dieses Bandes, den man angesichts von übersichtlichen gut 150 Textseiten schnell durchgearbeitet hat, durchaus profitieren.

Müller/Opper/von Stetten – Berufsrisiken des Strafverteidigers, 2. Auflage, Beck-Verlag, München 2022, 153 Seiten, 49,00 €.

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StA Berlin: Neue Schwerpunktstaatsanwaltschaft für EncroChat-Verfahren

Es war eine Frage der Zeit: Nach einem Bericht von LTO hat die Staatsanwaltschaft Berlin eine neue Schwerpunktabteilung für EncroChat-Verfahren gegründet, in der neben dem Abteilungsleiter sieben Staatsanwälte tätig sein sollen. Aktuell seien 80 Ermittlungsverfahren anhängig, in zehn Fällen sei Anklage erhoben worden, in fast jedem Fall zum Landgericht.

EncroChat war ein in Europa ansässiger Dienstleistungsanbieter, der Lösungen für Ende-zu-Ende verschlüsselte Instantmessenger und Endgeräte (Krypto-Handys) anbot. Im Frühsommer 2020 infiltrierten französische Ermittlungsbehörden das System und fischten Millionen Nachrichten, zuweilen auch aus kriminellen Milieus, ab. Danach nahm die Bedeutung von EncroChat erheblich ab.

Über die Verwertbarkeit der Erkenntnisse ist noch nicht abschließend entschieden worden. Das Landgericht Berlin hatte 2021 in einem mutigen Beschluss die Verwertbarkeit verneint, das Kammergericht (und andere Oberlandesgerichte) sah es jedoch anders.

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Beleidigung und Körperverletzung vor Supermarkt – Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO

Unser Mandant erhielt einen Strafbefehl. Darin wurde ihm vorgeworfen, den stellvertretenden Marktleiter eines Supermarkts mit den Worten „Nazisau, Rockerschwein“ beschimpft und ihn in das Gesicht gespuckt zu haben. Zudem soll unser Mandant mit dem rechten Bein in Richtung des Zeugen getreten und ihn am linken Oberschenkel getroffen haben. Hintergrund der Auseinandersetzung waren Unstimmigkeiten darüber, ob unser Mandant mit seinem minderjährigen Kind trotz Pandemieverordnung den Supermarkt betreten dürfe.

Nach Akteneinsicht kamen bereits erhebliche Zweifel auf, ob der Zeuge den Sachverhalt wahrheitsgemäß beschrieben hatte. Es irritierte bereits, dass der Zeuge in den verschiedenen Vernehmungssituationen ganz unterschiedliche Funktionen bekundete, die er in dem Markt ausgeübt haben will. Zunächst erklärte er, als Sicherheitsmitarbeiter tätig gewesen zu sein. In seiner späteren Vernehmung gab er an, stellvertretender Marktleiter zu sein.

Zudem hatte das Spucken und die Beleidigungen lediglich der angebliche Marktleiter, nicht aber weitere Mitarbeiter gesehen, obgleich letztere aufgrund ihrer beruflichen Stellung ebenfalls im Lager des Zeugen zu vermuten gewesen wären.

Die Handlungen unseres Mandanten waren jedoch nicht gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Daher regte Rechtsanwalt Stern an, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Rechtsanwalt Stern führte aus, dass die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Berufstätigkeit unseren Mandaten schnell an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht hatten. Dass man sich unter diesen Umständen nicht in jeder sozialen Situation so verhält, wie es Sitte ist, erschien menschlich nachvollziehbar.

Das Amtsgericht schloss sich der Auffassung von Rechtsanwalt Stern im Ergebnis an und stellte das Verfahren gegen Zahlung einer geringen Geldauflage ein.

Dadurch unterblieb eine Eintragung in das Bundeszentralregister. Unser Mandant gilt weiterhin als unschuldig.

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Körperverletzung/häusliche Gewalt – Verfahren in der Hauptverhandlung nach § 153 Abs. 2 StPO wegen hypothetisch geringer Schuld ohne Auflagen eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen an zwei Tagen seine damalige Freundin körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben. Er soll sie zu Boden geworfen haben, obwohl er Schuhe anhatte, ins Gesicht getreten haben, an den Haaren durchs Zimmer geschleift und gegen die Wand geschleudert haben. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin wurde ihm daher gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 vorgeworfen. Hiernach wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem halben Jahr bestraft, wer die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begeht.

Nach Beauftragung der Verteidigung schickte unser Mandant uns zunächst seinen umfangreichen Whats-App-Chatverlauf mit der Geschädigten. Daraus ging hervor, dass die beiden eine sehr schwierige und sehr von Streitigkeiten geprägte Beziehung hatten. Unser Mandant und die Geschädigte hatten sich nicht nur mehrmals körperlich gegenseitig angegriffen, sondern haben auch beide ein Drogenproblem. Zudem leidet die Geschädigte unter einer bipolaren Störung. Bei dieser psychischen Erkrankung leidet die betroffene Person unter manischen und depressiven Stimmungsschwankungen.

In der Hauptverhandlung erklärte Rechtsanwalt Stern im Namen unseres Mandanten sodann, dass sich die vorgeworfenen Handlungen so zugetragen haben. Allerdings sollten diese lediglich dazu dienen, die Geschädigte, die sich erheblich gegen das Verlassen der Wohnung unseres Mandaten wehrte, aus der Wohnung zu schaffen. Schließlich führten sie zu diesem Zeitpunkt bereits keine Beziehung mehr.

Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung wurde die Geschädigte als Zeugin durch Rechtsanwalt Stern ausdauernd und intensiv vernommen. Sie gab daraufhin zu, dass sie unserem Mandaten beim zweiten Geschehen eine Vase auf den Kopf geworfen habe. Somit beruhte diese gewalttätige Auseinandersetzung auf Gegenseitigkeit und die Geschädigte trug einen erheblichen Anteil am gesamten Geschehen bei.

Darüber hinaus standen unser Mandant und die Geschädigte zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in keinerlei Kontakt mehr zueinander.

Nachdem Rechtsanwalt Stern verschiedene Beweisanträge angekündigt hatte, schlug das Gericht eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO vor. Diesem Vorschlag stimmten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch unser Mandant zu. Infolgedessen unterblieb eine Eintragung in das Bundeszentralregister. Unser Mandant gilt daher weiterhin als unschuldig. Mit diesem Ergebnis war unser Mandant sehr zufrieden.

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Raubvorwurf – Verfahren in der Hauptverhandlung ohne Auflagen oder Weisungen eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, in Berlin-Kreuzberg gemeinsam mit einem Mitbeschuldigten einem Drogendealer Marihuana unter Einsatz von Faustschlägen in das Gesicht weggenommen zu haben. Erst als die Polizei hinzugekommen sei, hätten mein Mandant und der Mitbeschuldigte von dem Drogendealer abgelassen.

In der Hauptverhandlung gab Rechtsanwalt Stern für unseren Mandanten eine Erklärung ab, wonach es ihm allein darum gegangen sei, das Marihuana zu entwenden, damit es nicht in den Verkauf gelange. Zudem habe der Dealer die Drogen auch an Minderjährige verkauft.

Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Mandanten sprach entscheidend, dass dieser das Eintreffen der Polizei abgewartet hatte und der Dealer schließlich geflohen sei. Dass es auch um einen Revierverteilungskampf gehandelt haben könnte, wurde in der Hauptverhandlung nicht erwogen.

Im Ergebnis wurde das Verfahren ohne Auflagen oder Weisungen im Hinblick auf einen kurzen Aufenthalt unseres Mandanten in der Gefangenensammelstelle eingestellt. Unser Mandant war mit diesem Ergebnis sehr zufrieden.

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Vorwurf des Computerbetrugs und der Geldwäsche – Verfahren eingestellt

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, die Banking-App einer Geschädigten gehackt zu haben. Hierbei soll er nicht autorisierte Überweisungen auf sein eigenes Bankkonto getätigt haben. Das Gesetz sieht bei Computerbetrug im Rahmen des § 263a StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.

Der Mandant gab an, er habe lediglich in einem Online-Forum Bitcoin in Euro umtauschen wollen.

Ein unbekannter Vermittler habe unserem Mandanten angeboten, diesen Tausch mit ihm abzuwickeln. Nachdem dieses Tauschgeschäft jedoch nicht zustande gekommen sei, habe sich unser Mandant von dem Vermittler abgewandt. Dennoch habe er seine für den Tausch geforderte Summe erhalten, ohne je seine Bitcoins als Gegenleistung abgegeben zu haben.

Dass dieser Geldbetrag von einem gehackten Bankkonto stammen sollte, habe unser Mandant nicht geahnt. Eine Aufforderung des Vermittlers die Summe zurückzuzahlen, sei ausgeblieben.

Nach ausgiebiger Auswertung der vom Mandanten bereitgestellten Screenshots, welche die Chatverläufe mit dem unbekannten Vermittlerdarstellten zeigten, ließ sich fundiert darstellen, dass unser Mandant wohl nicht für die unautorisierten Überweisungen verantwortlich war und es für unseren Mandanten keinerlei Hinweise darauf gab, dass der erhaltene Betrag rechtswidrig erlangt war. In der folgenden Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft erläuterte Rechtsanwalt Stern ausführlich die fehlende Strafbarkeit des Mandanten. Er selbst sollte getäuscht werden. Auch für die Annahme einer Geldwäschestrafbarkeit blieb kein Raum.

Die Staatsanwaltschaft stellte sodann das Strafverfahren gegen unsere Mandanten gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichendem Tatverdachts. ein, worüber dieser sehr erleichtert war. Der Geldbetrag verblieb zunächst bei unserem Mandanten.

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Oberlandesgericht Celle entscheidet zur Maskenpflicht in Gerichtsverhandlungen

n einem Strafverfahren am Landgericht Hildesheim ordnete der Vorsitzende Richter an, in der Hauptverhandlung medizinische Masken zu tragen. Der Verteidiger eines Angeklagten weigerte sich wiederholt, diese Anordnung zu befolgen. Er legte auch auf Nachfrage kein ärztliches Attest vor, dass ihm das Tragen solcher Masken aus medizinischen Gründen nicht zuzumuten wäre. Das Landgericht hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt, in dem schon eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt worden war, was zur Folge hat, dass die Verhandlung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden muss. Die hierdurch entstandenen Kosten hat es dem Verteidiger auferlegt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle mit Beschluss vom 15. April 2021 als unbegründet verworfen (Az.: 3 Ws 91/21). Die Anordnung, in Gerichtsverhandlungen medizinische Masken zu tragen, ist nach Auffassung des Senats regelmäßig nicht nur zulässig, sondern vielmehr aus Gründen des Infektionsschutzes „dringend geboten“. Abgesehen von einzelnen in der Öffentlichkeit geäußerten „irrationalen Erwägungen“ bestünden keine ernsthaften Zweifel, dass medizinische Masken das Infektionsrisiko senkten. Andere Maßnahmen – etwa das Einhalten von Abständen zwischen den Personen und regelmäßiges Lüften – böten für sich genommen keinen vergleichbaren Schutz. Die Anordnung einer Maskenpflicht sei auch verhältnismäßig gewesen, zumal der Vorsitzende Richter Ausnahmen für diejenigen Verfahrensbeteiligten zugelassen hatte, denen das Wort erteilt wurde. Der Verteidiger habe durch sein schuldhaftes und zudem „rücksichtsloses und unverantwortliches“ Verhalten eine Fortsetzung der Hauptverhandlung unmöglich gemacht. Eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit einem neuen Verteidiger sei schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil dieser sich nicht ausreichend zeitnah in das umfangreiche Verfahren hätte einarbeiten können. Deshalb sei es auch richtig, dass der Verteidiger die durch die Aussetzung des Verfahrens entstandenen Kosten tragen müsse.

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