Bundestag

Vorwurf der Beleidigung einer Abgeordneten – Nichterlass Strafbefehl wegen grundrechtlich geschützter Meinungsäußerung

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, die Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf der Internetplattform X (vormals Twitter) als „kriegsgeile #LobbyHure“ bezeichnet zu haben und sich hierdurch wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht zu haben.

Unser Mandant kontaktierte uns nach Erhalt eines polizeilichen Anhörungsschreibens. Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern nahm Akteneinsicht und verfasste sodann einen umfangreichen Schriftsatz, in dem er die Verfahrenseinstellung beantragte.

In seiner Stellungnahme argumentierte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern, dass der verfahrensgegenständliche Post eine Meinungsäußerung darstellte, die grundrechtlich durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt und nicht ehrverletzend sei.

Für die Einordnung als Meinungsäußerung sprach zunächst, dass das Wort „Hure“ in einem politischen und  nicht in einem sexuellen Kontext verwendet wurde.

Mit der Äußerung wurde Kritik im Zusammenhang mit der Lobbyarbeit der Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann geübt, welche zahlreiche Nebentätigkeiten ausübt, die möglicherweise ihre politischen Entscheidungen beeinflussen.

Auch wird mit Verwendung des Wortes „kriegsgeil“, ein sachlicher Bezug zu politischen Meinungen der Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann, welche mehrfach positive Haltungen zu Waffenlieferung und Einsätzen der Bundeswehr vertritt, hergestellt und kritisch hinterfragt.

Nach alledem handelte es sich bei der verfahrensgegenständlichen Äußerungen um eine Meinung, die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfällt.

Sodann argumentierte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern, dass die Äußerung nicht ehrverletzend und mithin nicht strafbar war, da bei einer Gesamtschau aller Aspekte des Falles und dem Abwiegen des Persönlichkeitsrechts der Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann gegen die Meinungsfreiheit im konkreten Fall die Meinungsfreiheit überwog.

Für ein Überwiegen der Meinungsfreit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann streitet zunächst, dass die Äußerung keine Schmähkritik darstellt, da ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Äußerungen auf X und den Entscheidungen der Bundestagsabgeordneten Strack-Zimmermann bei Abstimmungen des Bundestags, die nach dem Verfasser nicht frei, sondern unter dem Einfluss der Lobbyarbeit getätigt werden, bestand und dass die Äußerungen darauf abzielten, das politische Handeln zu kritisieren, nicht jedoch die Bundestagsabgeordnete Strack-Zimmermann als Person zu diffamieren oder herabzuwürdigen.

Auch muss Kritik, die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, hingenommen werden, wobei die Grenzen zulässiger Kritik bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Überdies zielte die Äußerung darauf ab, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, sodass das Gewicht der Meinungsfreiheit besonders hoch zu gewichten ist.

Nach dieser Gesamtwürdigung stellte sich die Äußerung als nicht ehrverletzend dar. Der Tatbestand der Beleidigung war von der verfahrensgegenständlichen Äußerung nicht erfüllt.

Diese Auffassung überzeugte auch das Gericht, weshalb es den von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl aus rechtlichen Gründen ablehnte. Unser Mandant war über den Ausgang des Verfahrens sehr erfreut.

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Stellungnahme von RA Stefan Conen zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen anlässlich der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages online

Der Republikanische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälteverein (RAV) hat endlich die Stellungnahme von RA Stefan Conen zur gebotenen gesetzlichen Kodifizierung des Einsatzes von V-Personen online gestellt.

Conen sieht im Einsatz von V-Personen einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff jedenfalls in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Er fordert, dass die V-Personen-Führung in der Verantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft liegen sollte, dass die Aktenführung hinsichtlich der V-Personen gesetzlich festzulegen sei (insbesondere auch die Höhe der Entlohnung der V-Personen) und dass bei der Kodifizierung die Rechtsprechung von BGH (insb. BGH NStZ 2014, 277 und EGMR (EGMR v. 15.10.2020 Akbay vs. Germany) berücksichtigt werden müsse.

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