In einem der aktuell 2.000 Verfahren der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Empfänger sog. Corona-Hilfen im April/Mai 2021, die den Betrag nach kurzer Zeit zurückgezahlt hatten, ist nun unser erstes Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Wir konnten den Fall über den subjektiven Tatbestand lösen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren die Antragsvoraussetzungen völlig unklar, weil die zentralen Begriffe nicht definiert worden war. Daher lag ein Verbotsirrtum nah, der unvermeidbar war, da seinerzeit selbst Rechtsanwälte im Einzelfall nicht angeben konnten, unter welchen Voraussetzungen die Coronahilfen ausgezahlt oder verwehrt werden sollen. Die Fällen hatten erhebliche politische Wellen geschlagen und zu Verwerfungen zwischen Senat und Staatsanwaltschaft geführt. Unsere weiteren IBB-Betrugsverfahren sind nicht nicht erledigt. Eine Anklage gab es bislang in keinem Fall.
Coronahilfen
Corona-Betrug: Ermittlungsverfahren eingestellt
In Berlin wurden seit der Corona-Pandemie 3.000 Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs eingeleitet. In einem dieser Verfahren wurde unserer Mandantin vorgeworfen, einen Antrag auf Corona-Soforthilfen bei der IBB Berlin gestellt zu haben, ohne die Voraussetzungen erfüllt zu haben.
Unsere Mandantin hatte in ihrem Antrag erklärt, seit Februar 2020 als Freiberuflerin im Bereich Jugend und Bildung tätig gewesen zu sein, der Zuschuss zur Sicherung ihrer beruflichen Existenz erforderlich gewesen sei und der Liquiditätsengpass eine Folgewirkung des Ausbruchs von COVID-19 im Frühjahr 2020 gewesen sei. Unsere Mandantin hatte 5.000 € erhalten. Aus Kontoauszügen, die die Sparkasse ihrer Heimatstadt an die Staatsanwaltschaft geschickt hatte, ergab sich, dass unsere Mandantin bis zum Pandemiebeginn gar keine Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit bzw. Soloselbständigkeit erzielt haben sollte.
Rechtsanwalt Stern nahm nach der Mandatierung Akteneinsicht und trug in einem ausführlichen Schriftsatz vor, dass sich unsere Mandantin tatsächlich regelmäßig entlohnte Tätigkeiten versprochen, infolge der Pandemie jedoch von Anfang an keine Aufträge erhalten hatte.
Rechtsanwalt Stern stellte die verschiedenen Versuche unserer Mandantin dar, Einnahmen zu erzielen. Er argumentierte, dass diese sehr geringen Einnahmen im zweistelligen Eurobereich nicht zwar nicht für eine hauptberufliche Tätigkeit sprächen, der Antrag aber auch keine hauptberufliche Soloselbständigkeit voraussetzen würde. Zudem waren die niedrigen Einnahmen durchaus relevant, weil unsere Mandantin daneben kaum Einnahmen erzielte. Dass sich die Einnahmen unserer Mandantin ohne Pandemie innerhalb von 6 Monaten auf 5.000 € summiert hätten, sei sicherlich fraglich, allerdings habe das Antragsformular keine Auswahlmöglichkeit bzgl. der Höhe der Subvention gegeben.
In subjektiver Hinsicht trug Rechtsanwalt Stern vor, dass für breite Teile der Bevölkerung – selbst juristisch ausgebildete Kreise – bis zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen sei, was unter Liquiditätsengpass, existenzbedrohender Wirtschaftslage und Sicherung der beruflichen Existenz zu verstehen sei. Dem Antragsformular war – offenbar aus Zeitgründen – keine Richtlinie beigefügt, die potentielle Antragsteller hätten nutzen können. Es gab auch sonst keine Recherchemöglichkeit. Zudem musste der Antrag unter erheblichem Zeitdruck ausgefüllt werden, da das System die Antragsteller nach Ablauf einer knapp bemessenen Zeitspanne abmeldete, um anderen Antragstellern den Zugang zu ermöglichen und die Leitungen nicht zu überlasten. Es war unter diesen Umständen auch nicht möglich, vorab Rechtsrat einzuholen, zumal selbst Rechtsanwälte keine Nachschlagemöglichkeiten gehabt hätten. Möglicherweise unberechtigte oder auch nur zweifelbehaftete Auszahlungen von Zuschüssen wurden zugunsten einer raschen Unterstützung der Soloselbständigen hingenommen.
Die Staatsanwaltschaft Berlin schloss sich der Auffassung von Rechtsanwalt Stern an und stellte das Verfahren ohne Auflagen gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.