Unserem Mandanten wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vorgeworfen, als Restaurantleiter einer Pizzeria mit einem Mitangeschuldigten die Einführung einer schwarzen Kasse beschlossen zu haben und in der Folgezeit diverse Pizzen nicht in dem computergestützten Abrechnungssystem erfasst zu haben.
Die Bestellungen für Pizzen seien durch handschriftlich ausgestellte Zettel oder durch handschriftliche Zusätze auf den vom Computer erstellten Bestellzetteln von den Servicemitarbeitern an die Pizzabäcker weitergeleitet und dort zum Verkauf an die Gäste zubereitet worden. Die dafür eingenommenen Geldbeträge seien nicht ordnungsgemäß erfasst worden, so dass diese bei der abendlichen Abrechnung unter den Mitarbeitern als Trinkgelder verteilt werden konnten.
Bei Kartenzahlung durch die Gäste seien die am Abrechnungssystem vorbei verkauften Pizzen in den Transaktionsbelegen als Trinkgeldzahlungen aufgeführt worden.
Unser Mandant sei als Restaurantleiter gegenüber den Mitarbeitern im Servicebereich weisungsbefugt und zudem vom Geschäftsführer mit der ordnungsgemäßen abendlichen Abrechnung der Tageseinnahmen betraut gewesen. Der Mitangeschuldigte sei als Chef der Pizzabäcker gegenüber den Pizzabäckern weisungsbefugt und für die ordnungsgemäße Ausführung der eingehenden Bestellungen verantwortlich gewesen.
Hierdurch hätten sich die beiden wegen Untreue strafbar gemacht und 331.000,00 Euro erlangt, die nach der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin zum Ausdruck kommenden Ansicht einzuziehen seien.
Gemeinsam mit der Kollegin Rechtsanwältin Vanessa Gölzer wurde Rechtsanwalt Stern mit der Verteidigung beauftragt. Nach umfassendem Durcharbeiten der vier Bände Ermittlungsakten beantragten Rechtsanwalt Stern und Rechtsanwältin Gölzer in einer umfassenden Stellungnahme, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen. Das Amtsgericht Tiergarten beraumte dennoch Hauptverhandlungstermine an.
Wie häufig suchte Rechtsanwalt Stern vor, während und nach der Hauptverhandlung mit allen Verfahrensbeteiligten das Gespräch und regte die Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage an. Er verwies unter anderem auf die schwierige Beweislage und Ungereimtheiten in der Aussage des Restaurantinhabers, der von dem Vorgehen nichts mitbekommen haben wollte, die Mehreinnahmen der Pizzeria aber nach Kenntniserlangung entgegen seiner Rechtspflicht noch nicht dem Finanzamt offenbart hatte. Während der Hauptverhandlung machten auf das Mitwirken der beiden Verteidiger hin viele Angestellte der Pizzeria von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, um eine mögliche Selbstbelastung zu vermeiden. Allerdings beriefen sich weder der Geschäftsführer noch dessen Rechtsanwalt und Steuerberater auf ihr Aussageverweigerungsrecht. Die Staatsanwaltschaft stimmte einer Einstellung jedoch aufgrund des hohen Einziehungsbetrag in Höhe von 331.000,00 Euro nicht. Rechtsanwalt Stern führte sodann mündlich und schriftsätzlich zu den Voraussetzungen der hier überhaupt nur in Betracht kommenden erweiterten Wertersatzeinziehen aus:
Rechtsanwalt Stern, Fachanwalt für Strafrecht, erörterte, dass eine Einziehung (§§ 73 ff. StGB) grundsätzlich bezwecke, dem Täter diejenigen Gegenstände zu entziehen, die durch eine rechtswidrige Tat oder für diese erlangt worden sind. Eine Einziehung sei selbst dann möglich, wenn wegen der zugrunde liegenden Tat keine Verurteilung erfolgt (sog. erweiterte Einziehung). Nach § 73a Abs. 1 StGB ordnet das Gericht die Einziehung an, wenn eine Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat erfolgt und die fraglichen Vermögenswerte zwar nicht aus dieser, aber doch aus einer (irgendeiner) anderen rechtswidrigen Tat stammen.
Im hiesigen Verfahren handelte es sich um eine erweiterte Einziehung, da die 331.000 € nicht aus angeklagten, sondern ähnlichen, aber nicht angeklagten Taten stammen sollten.
Die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73a Abs. 1, 73c StGB setzt jedoch regelmäßig voraus, dass der erlangte Gegenstand oder sein Surrogat bei der Begehung der Anknüpfungstat noch im Vermögen des betroffenen Täters oder Teilnehmers vorhanden war. Die Anknüpfungstat kann dabei nur die konkret feststellbar begangene rechtswidrige Tat, mithin vorliegend die angeklagte Tat sein. Abgeschöpft werden kann im Wege der erweiterten Einziehung von Wertersatz nur dasjenige illegal Erlangte, dass der Angeklagte zur Tatzeit der abgeurteilten Delikte in seiner Verfügungsgewalt hatte. Das zuvor Verbrauchte oder erst später Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht.
Rechtsanwalt Stern erklärte, dass Feststellungen dazu getroffen werden müssten, dass und in welcher Höhe unser Mandant im Zeitraum der abgeurteilten Tat (noch) Verfügungsgewalt über die angeblich veruntreuten Gelder oder über deren Surrogate gehabt habe. Nach der Ansicht von Rechtsanwalt Stern ließen sich diese Feststellungen jedenfalls nach Aktenlage nicht treffen. Zudem war selbst die Anklage davon ausgegangen, dass die Gelder (gleichmäßig) unter den Angestellten der Pizzeria aufgeteilt worden sein sollen, sodass sie unmittelbar nach der behaupteten Erlangung nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Mandanten gestanden hätten (BGH, Beschluss vom 08. März 2022 – 3 StR 238/21; BGH, Beschluss vom 04. März 2021 – 5 StR 447/20; BGH, Beschluss vom 21. September 2021 – 3 StR 158/21).
Die rechtlichen Ausführungen konnten das Gericht und nach einigem Widerstreben auch die Staatsanwaltschaft überzeugen. Da eine Einziehung in der ursprünglich vorgesehenen Höhe nicht mehr möglich war, war nun auch der Weg frei für eine Einstellung des Verfahrens, die der Komplexität des Verfahrens und der jetzt noch zu beurteilenden Schwere des Vorwurfs Rechnung trug. Rechtsanwalt Stern verhandelte sodann mit dem Staatsanwalt eine angemessene Geldauflage in Höhe von 10.000,00 Euro. Unser Mandant war sichtlich erleichtert.