Revisionsbegründung

Die Revision ist eine reine Rechtskontrolle. Im Gegensatz zur Berufung wird hierbei der von der vorangegangenen Instanz festgestellte Sachverhalt zugrunde gelegt. Es erfolgt keine neue Tatsachenverhandlung. Bei der Revision wird überprüft, ob das Verfahren an sich fehlerhaft war (sog. Verfahrensrüge) oder eine Rechtsnorm nicht bzw. falsch angewendet wurde (sog. Sachrüge). Die Differenzierung ergibt sich aus § 344 Abs. 2 StPO und wirkt sich entscheidend auf die vom Revisionsgericht zu prüfenden Dokumente sowie den Umfang des Vortrags des Revisionsberechtigten aus:

Verfahrensfehler oder sachlich-rechtliche Fehler?

Ein Urteil kann mit der Verfahrensrüge und mit der Sachrüge angegriffen werden.
Bei der Verfahrensrüge hat der Revisionsführer gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO die den Mangel enthaltenden Tatsachen anzugeben. Das Revisionsgericht prüft die Verfahrensrüge allein anhand der eingereichten Revisionsbegründung. Ein Rückgriff auf Akten, das Sitzungsprotokoll und/oder andere Schriftstücke ist nicht zulässig.

Für die Begründung der allgemeinen Sachrüge genügt hingegen der Satz: „Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts“. Die allgemeine Sachrüge verpflichtet das Revisionsgericht bereits zur vollständigen Kontrolle des Urteils auf sachlich-rechtliche Fehler. Um die ohnehin geringen Erfolgsaussichten der Revision zu steigern – die Erfolgsquote der Angeklagtenrevisionen liegt nur bei 6-7 %, davon haben wiederum nur 3 % „vollen Erfolg“ – und den Blick des Revisionsgerichts auf besonders problematische Teile zu lenken, sollte die Sachrüge von ihrem Verteidiger daher näher ausgeführt werden.

1. Die Erhebung der Verfahrensrüge

Die Verfahrensrüge bedarf einer detailreichen und vollständigen Begründung, sodass das Revisionsgericht allein auf Grundlage dieser Rüge prüfen kann, ob der gerügte Verfahrensmangel vorliegt. Das klingt banal, tatsächlich genügen Verfahrensrügen in formeller Hinsicht häufig nicht den hohen Anforderungen der Revisionsgerichte. Sie gelten dann als unzulässig erhoben mit der Folge, dass sich das Revisionsgericht nicht weiter mit ihnen befassen muss.

Die Verfahrensrüge kann auf absolute und relative Revisionsgründe gestützt werden. Die absoluten Revisionsgründe sind in § 338 StPO kodifiziert:

  • Nr. 1: keine vorschriftsgemäße Gerichtsbesetzung
  • Nr. 2: Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters oder Schöffen
  • Nr. 3: Mitwirkung eines gemäß §§ 22 ff. StPO abgelehnten Richters
  • Nr. 4: Unzuständigkeit des Gerichts&lt
  • Nr. 5: Vorschriftswidrige Abwesenheit eines Beteiligten (z.B.: Staatsanwaltschaft)
  • Nr. 6: Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens
  • Nr. 7: Fehlende oder verspätete Urteilsbegründung, fehlende Unterschrift/Vermerk bei Verhinderung

Relative Revisionsgründe können in Verbindung mit § 337 StPO jede Verfahrensnorm betreffen, wobei insbesondere die Strafprozessordnung (StPO) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen sind. Eine sich auf relative Gründen stützende Revision kann beispielsweise diese Gesichtspunkte anführen:

  • Missachtung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes und des Mündlichkeitsprinzips
  • Nichtbeachtung des Beschleunigungsgrundsatzes (Art. 6 EMRK)
  • Nichtverlesen des Anklagesatzes
  • ausgebliebene Belehrung über die Zeugnisverweigerungsrechte (§§ 52 ff. StPO)
  • Verwendung unzulässiger Beweismittel (z.B. Verstoß gegen § 252 StPO)
  • Widerrechtliche Ablehnung von Beweisanträgen
  • Verletzung des Rechts auf Plädoyer oder des Rechts auf das Schlusswort

Wird ein relativer Verfahrensfehler gerügt, dann muss dargelegt werden, dass das Urteil auf diesem Fehler beruht. Dies bedeutet, dass die Möglichkeit bestehen muss, dass das Verfahren ohne diesen Mangel anders ausgegangen wäre. Das Beruhenserfordernis ist – kontraintuitiv – in der Praxis eine erstaunlich hohe Klippe, die schwer zu umschiffen ist.

2. Die Erhebung der Sachrüge

Ist der Fehler bereits aus dem Urteil erkennbar, so genügt i.d.R. die Sachrüge. Im Gegensatz zur Verfahrensrüge genügt bei einer ordnungsgemäßen allgemeinen Sachrüge wie bereits erwähnt der Satz: „Ich rüge die Verletzung sachlichen Rechts.“ Die Sachrüge erfordert somit grundsätzlich keine detaillierte Revisionsbegründung. In der Praxis ist sie dennoch ausführlich zu begründen. Andernfalls führt sie in den seltensten Fällen zum Erfolg.

Typische Rechtsfehler bei einem rechtlich nicht korrekten Urteil sind beispielsweise:

  • Lückenhafte Feststellungen: Feststellungen, die nicht den gesamten äußeren und inneren Tatbestand des anzuwendenden Gesetzes ausschöpfen, sind rechtsfehlerhaft (z.B. keine Feststellungen zur Zueignungsabsicht beim Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB)
  • Verstoß gegen Denkgesetze, Naturgesetze und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse
  • Fehler bei der Anwendung geltenden Rechts
  • Unstimmigkeiten bei der Urteilsbegründung
  • Widersprüchlichkeiten bei der Beweiswürdigung
  • Rechtsfehler bei der Strafzumessung (z.B. falscher Strafrahmen oder minder schwere/besonders schwere Fälle nicht beachtet)

Enthält das Urteil einen solchen Rechtsfehler, kann das Revisionsgericht das Urteil aufheben.

Lassen die Urteilsgründe darüber hinaus einen relevanten Verfahrensfehler erkennen, berechtigt dies das Revisionsgericht – ohne diesbezüglich erhobene Verfahrensrüge – allerdings nicht zum Eingreifen (vgl. § 352 Abs. 1 StPO). Grund hierfür ist die dem Revisionsführer eingeräumte Dispositionsbefugnis, ob er einen Verfahrensfehler rügen oder hinnehmen will.