Entscheidung des Revisionsgerichts

Das Revisionsgericht prüft die Begründetheit der Revision ohne Beschränkung auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Es hat folgende Entscheidungsmöglichkeiten

  • Verwerfung der Revision als unzulässig, § 349 Abs. 1 StPO
  • Verwerfung der Revision durch Beschluss als offensichtlich unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO
  • Aufhebung des Urteils (und Zurückverweisung der Sache an ein andere Abteilung oder Kammer des Tatgerichts / Einstellung des Verfahrens / und Freispruch)
  • Verurteilung zu einer absolut bestimmten Strafe
  • Entscheidung in der Sache gemäß § 354 Abs. 1a und 1b StPO

I. Verwerfung der Revision durch Beschluss als unzulässig, § 349 Abs. 1 StPO

Das Revisionsgericht kann die Revision wegen Unzulässigkeit durch Beschluss verwerfen, wenn es der Überzeugung ist, dass die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die Anbringung der Revisionsanträge nicht eingehalten wurden. Es kann auch durch Urteil aufgrund durchgeführter Hauptverhandlung entschieden werden, § 349 Abs. 5 StPO. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Zulässigkeit von komplizierten Rechtsfragen oder kontrovers diskutierten Beweiserhebungen über Verfahrenstatsachen abhängig ist.

II. Verwerfung der Revision durch Beschluss als offensichtlich unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO

Offensichtlich unbegründet ist die Revision, wenn „für jeden Sachkundigen ohne längere Prüfung erkennbar ist, welche Rechtsfragen vorliegen, wie sie zu beantworten sind und dass die Revisionsrügen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen“ (BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2002 – 2 BvR 1225/01).

Für eine Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO bedarf es jedoch eines entsprechenden Verwerfungsantrags der Staatsanwaltschaft. Die rechtliche Prüfung der Staatsanwaltschaft soll sicherstellen, dass ein weiteres rechtskundiges Rechtspflegeorgan zur der Einschätzung gelangt, das Vorbringen sei unbegründet. Mithin erfüllt das Antragserfordernis eine Schutzfunktion zugunsten des Angeklagten.

Die Antragsschrift ist dem Beschwerdeführer von der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, § 349 Abs. 3 S. 1 StPO. Ihm soll so – obwohl es sich um eine Entscheidung im Beschlusswege handelt – rechtliches Gehör eingeräumt werden. In der Praxis wird sie dem Verteidiger regelmäßig mit Empfangsbekenntnis zugestellt, denn ihr Zugang setzt die zweiwöchige Frist in Gang, innerhalb derer auf den staatsanwaltschaftlichen Antrag mit einer schriftlichen Gegenerklärung reagiert werden kann, § 349 II 3 StPO. Zudem erfordert der Verwerfungsbeschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO Einstimmigkeit, die sich auf die Unbegründetheit und auf ihre Offensichtlichkeit beziehen muss.

III. Urteilsaufhebung durch Beschluss, § 349 Abs. 4 StPO

Eine Hauptverhandlung kann bei Revisionen zugunsten des Angeklagten erspart bleiben, wenn das Revisionsgericht das Rechtsmittel einstimmig für begründet hält. Inhalt des Beschlusses ist zum einen die Aufhebung des angefochtenen tatrichterlichen Urteils, zum anderen entweder die Freisprechung des Angeklagten (§ 354 Abs. 1 StPO), die Zurückverweisung der Sache (§ 354 Abs. 2 StPO) oder die Einstellung des Verfahrens (§§ 153 ff. oder § 206a StPO), z.B. wegen eines Verfahrenshindernisses. Eines entsprechenden Antrags der Revisionsstaatsanwaltschaft bedarf es hierfür nicht. Allerdings haben die Strafsenate des BGH von dieser Möglichkeit beispielsweise im Jahr 2018 lediglich bei 89 von 3007 erledigten Revisionen Gebrauch gemacht (knapp 3 %). Demgegenüber wurden auf 507 Revisionen „gemischte Entscheidungen“ gemäß § 349 Abs. 2 StPO (verwerfender Beschluss) und § 349 Abs. 4 StPO (stattgegebener Beschluss) getroffen (knapp 17 %), d.h. das angefochtene Urteil wurde also teilweise zugunsten des Beschwerdeführers aufgehoben.

IV. Entscheidung durch Urteil aufgrund einer Hauptverhandlung, § 349 Abs. 5 StPO

Wenn die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlusswege nicht vorliegen oder, wenn das Revisionsgericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen möchte, so beraumt es einen Termin zur Hauptverhandlung an und entscheidet über das Rechtsmittel durch Urteil (§ 349 Abs. 5 StPO). Zu beachten ist, dass der Angeklagte bei der Hauptverhandlung dabei sein kann, aber nicht muss. Jedenfalls hat er keinen Anspruch auf Anwesenheit, wenn er in Haft sitzt. Er kann sich dann jedoch per schriftlicher Vollmacht durch einen Verteidiger vertreten lassen. Hat der Angeklagte keinen Wahlverteidiger, so muss ihm auf seinen Antrag hin ein Verteidiger gestellt werden. Der Antrag muss allerdings innerhalb einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt werden, an dem der Angeklagte vom Termin der Hauptverhandlung erfährt. Wird er mit Bekanntgabe des Hauptverhandlungstermins nicht vom Gericht auf sein Recht auf Bestellung eines Verteidigers hingewiesen, so kann er den Antrag auch später stellen.

V. Eigene Entscheidung des Revisionsgerichts, § 354 Abs. 1, 1a und 1b StPO

Bei Urteilsaufhebungen wegen materiell-rechtlicher Fehler (Sachrüge) kann das Revisionsgericht auch selbst in der Sache entscheiden. Andernfalls – und im Regelfall – wird die Sache an eine andere Abteilung oder andere Kammer des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein anderes Gericht gleicher Ordnung des Bundeslandes zurückverwiesen.

1. Entscheidungen nach § 354 Abs. 1 StPO

Nach § 354 Abs. 1 StPO hat das Revisionsgericht folgende Entscheidungsmöglichkeiten:

  • Freisprechung: Eine (Teil-)Freisprechung kommt nur in Betracht, wenn die bisherigen Feststellungen vollständig und fehlerfrei sind. Es muss auszuschließen sein, dass eine neue Hauptverhandlung noch Aufschlüsse zu erbringen vermag.
  • Einstellung:; Zu berücksichtigen ist, dass § 354 Abs. 1 StPO nur Verfahrenseinstellungen wegen Vorliegens von Prozesshindernissen (z.B. fehlender oder unwirksamer Eröffnungsbeschluss) betrifft, keine Einstellungen nach §§ 153 ff StPO. Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse werden vom Revisionsgericht von Amts wegen und ohne formgerechte Rüge geprüft.
  • Verhängung einer absolut bestimmten Strafe: Die Ersetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe durch die lebenslange Freiheitsstrafe auf staatsanwaltschaftliche Revisionen zuungunsten des Angeklagten ist zulässig.
  • Verhängung der gesetzlich niedrigsten Strafe oder Absehen von Strafe: Hierfür bedarf es einen entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Antrags.
  • Schuldspruchberichtigung: In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kann es auch zu einer Schuldspruchberichtigung kommen. Zum Beispiel wird der Schuldspruch von Täterschaft auf Beihilfe umgestellt.

2. Entscheidungen nach § 354 Abs. 1a und 1b StPO

§ 354 Abs. 1a StPO gestattet dem Revisionsgericht eine eigene Strafzumessung. Seine Anwendung setzt deshalb einen zum maßgeblichen Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung zutreffend ermittelten, vollständigen und aktuellen Strafzumessungssachverhalt voraus. Sofern die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag gestellt hat, kann das Revisionsgericht gemäß § 354 Abs. 1a S. 2 StPO die Rechtsfolge sogar „angemessen herabsetzen“. Diese Vorschrift zielt darauf ab, Ressourcen der Justiz zu schonen und dem Angeklagten die Belastungen mit einer erneuten Hauptverhandlung zu ersparen.