Die Bundesregierung hat am Mittwoch beschlossen, dass das sogenannte Upskirting künftig eine Straftat sein soll. Upskirting ist das in der Regel geheime Fotografieren mit dem Handy (teilweise unter Zuhilfenahme eines Selfie-Sticks) unter Röcke und Kleider von Frau – etwa auf Rolltreppen, Gehwegen oder in Treppenhäusern.
Die Initiative hierzu kam aus den Ländern. In einem Gesetzesantrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Saarland vom 17. September 2019 heißt es zur Begründung:
Gravierendes und auch strafwürdiges, bislang regelmäßig aber nicht strafbares Unrecht verwirklicht dabei derjenige, der absichtlich unter die Bekleidung einer anderen Person filmt oder fotografiert und auf diese Weise eine Bildaufnahme von deren Intimbereich herstellt oder überträgt. Durch dieses – zumeist heimlich vorgenommene – Verhalten wird der durch das Bekleidungsstück bezweckte Sichtschutz überwunden. Die Betroffenen können sich daher häufig nicht oder nur unzureichend wehren und müssen zumeist erdulden, dass sie hierdurch gegen ihren Willen zu Zwecken persönlicher Bedürfnisbefriedigung der Täter gleichsam instrumentalisiert werden.
Gesetzgeberisch soll der Plan durch Einführung eines neuen § 184k mit der Überschrift „Bildaufnahme des Intimbereichs“ umgesetzt werden:
Hiernach macht sich strafbar, wer
absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt, oder eine derartige Bildaufnahme überträgt.
Ich bin gespannt, was die Rechtsprechung daraus macht. Der Gesetzgeber hatte sicherlich jene Fälle im Kopf, in denen der „Fotograf“ das Handy unter den Rock hält und von dem Schlüpfer ein Foto schießt. Was gilt aber, wenn sich das Gegenüber bückt und die Unterwäsche dadurch sichtbar wird oder wenn die Unterwäsche – wie häufig bei Sportkleidung – aufgrund der aus funktionalen oder vermarktungstechnischen Gründen sehr kurzen Sporthose auch so hin und wieder sichtbar ist (vgl. das Beispiel auf der Wikipedia-Seite)?
Und ich hätte gern gewusst, ob es tatsächlich ein derart verbreitetes Phänomen ist, dass man dem Ganzen nur durch einen Straftatbestand Herr werden kann. Falls jemand Statistiken kennt – bitte einen kurzen Hinweis im Kommentarbereich hinterlassen.
Der Entwurf der Länder sieht übrigens ebenfalls für die Betroffenen den Anschluss als Nebenkläger sowie die Beiordnung eines Verteidigers vor. Sollte das so Gesetz werden, wird aus Gründen des Fair Trial auch regelmäßig den Beschuldigten ein Verteidiger beigeordnet werden müssen, obwohl kaum je eine relevante Strafe im Raum stehen dürfte.
Und ungewollte Fotos ins Dekolleté sollen nach dem Beschluss des Bundeskabinetts übrigens auch strafbar werden.
Konstantin Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht
Absolut unverständlich, warum es für soetwas einen Straftatbestand braucht – § 118 OWiG begleitet von zivilrechtlichen SE-/Unterlassungsansprüchen sollte doch eigtl. genügen…
Erklärtes Ziel des Gesetzesvorschlags ist denn auch, dass
„das Unrecht derartiger Taten in das Bewusstsein der Bevölkerung gebracht wird“. § 118 OWiG kennen einfach nicht sehr viele Menschen.
Allerdings wird die Vorschrift natürlich zu echten Strafverfahren führen.
Dass § 118 OWiG einschlägig ist, ergibt sich übrigens nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut:
„Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.“
Das Verwaltungsgericht München hat jedoch immerhin in einem Beschluss vom 04.03.2009 (M 22 S 08.5986) entschieden, dass die Allgemeinheit auch dann belästigt wird, wenn nur eine einzelne Person fotografiert werden soll:
„Dabei ist es ausreichend, wenn die Handlung an einer Einzelperson vorgenommen wird, die Allgemeinheit als individuell nicht abgrenzbarer Personenkreis dies aber wahrnehmen und daran Anstoß nehmen kann.“