Hier geht’s um Leben und Tod

Die Frage nach dem Zeitpunkt des Todeseintritts wird bekanntlich in Medizin und Recht, aber auch innerhalb der verschiedenen Rechtsgebiete ganz unterschiedlich beantwortet.

Einig ist man sich im Recht allein darin, dass auch der Tod ein normativer Begriff ist und etwa die Kriterien der Naturwissenschaften nicht ohne Weiteres übernommen werden können, vor allem weil etwa die Naturwissenschaften den Tod häufig als Prozess begreifen, es im Recht aber wünschenswert ist, einen genauen Zeitpunkt zu kennen, an dem das Leben endet und der Tod beginnt – mit den sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen.

Im Strafrecht wird der Todeszeitpunkt – naheliegend – in der Regel im Rahmen der Tötungsdelikte diskutiert, ein Fall aus Iowa/USA zeigt jedoch, dass es auch in der Strafvollstreckung darauf ankommen kann, wann der Tod eintritt. Und Ausgangspunkt hierfür war ein simpler Nierenstein.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung war der heute 66jährige Benjamin Schreiber im Jahr 1997 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er seitdem in Iowa absitzt.

Im März 2015 entwickelte Schreiber einen Nierenstein, der zu einer Vergiftung führte. Er wurde in seiner Zelle bewusstlos aufgefunden, in ein Krankenhaus gebracht und musste dort fünfmal wiederbelebt werden.

Schreiber argumentierte gegenüber dem Bezirksgericht nun, er sei kurzzeitig verstorben gewesen und habe daher seine „lebenslange“ Freiheitsstrafe bereits verbüßt. Mithin sei er nun unrechtmäßig eingesperrt.

Inhaltlich stützt er sich damit auf die lange in der Medizin vorherrschende Sicht, der Todeseintritt werde durch den Herz- und Kreislaufstillstand markiert (sog. klinischer Todesbegiff). Davon ist man jedoch im Zuge der Entwicklung der Intensiv- und Transplantationsmedizin abgewichen. Denn eine Reanimation sei nicht die Wiedererweckung eines Toten sondern die Rettung eines (noch) Lebenden (vgl. Fischer StGB Vor §§ 211-217 Rn. 14). Heute wird die irreversible Beendigung aller Gehirnfunktionen als zentrales Kriterium für den Todeseintritt angesehen.

Entsprechend vermochte das Bezirksgericht der Auffassung Schreibers (oder dessen Rechtsanwalts) nicht zu folgen und auch vor dem Berufungsgericht des Bundesstaates hatte Schreiber kein Glück. Die zuständige Richterin Potterfield schrieb in ihrer Urteilsbegründung:

Entweder lebt Schreiber, dann muss er im Gefängnis bleiben. Oder er ist tot, dann ist dieser Einspruch rein akademisch.

Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht

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