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Revision erfolgreich – Bewährungsstrafe statt Haftstrafe

Unserem Mandanten, dessen Vertretung wir erst im Revisionsverfahren übernommen hatten, wurde vorgeworfen, unter Verwendung von Falschpersonalien zumeist Lautsprecherboxen, andere technische Geräte (u.a. ein iPhone) oder Geschenkgutscheine zum Preis von jewelis 60,00 Euro bis 1.300,00 Euro auf der Internetplattform eBay zum Verkauf angeboten zu haben, obwohl er zu keinem Zeitpunkt vorhatte, diese Gegenstände an die jeweiligen Käufer zu liefern. Im Vertrauen darauf, dass unser Mandant den jeweiligen Kaufgegenstand liefern werde, haben die Käufer jeweils das Angebot angenommen und den geforderten Kaufpreis auf das jeweils angegebene Konto unseres Mandanten überwiesen. Unser Mandant hatte den Käufern die versprochenen Gegenstände nicht übersandt.

Zudem wurde unserem Mandanten vorgeworfen, über die Internetplattform eBay unberechtigt unter verschiedenen falschen Namen u.a. hochwertige Handys (iPhone 7 und iPads) von Verkäufern aus Berlin und der Bundesrepublik bestellt und erworben zu haben. Er habe sich diese Geräte an seine Wohnanschrift liefern lassen. Unser Mandant habe von vornherein nicht vorgehabt, die Waren zu bezahlen.

Das Amtsgericht Tiergarten – erweitertes Schöffengericht – verurteilte ihn wegen Betruges in 56 Fällen, davon in drei Fällen Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Urteil lag eine Verständigung gemäß § 257c StPO zu Grunde.


Die Staatsanwaltschaft Berlin hat trotz der getroffenen Verständigung gegen das Urteil Berufung eingelegt und die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. In der Berufungshauptverhandlung hat der Mandant erneut gestanden.

Das Landgericht Berlin – erweiterte kleine Strafkammer – hat in der Berufungsverhandlung das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass unser Mandant zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von nun zwei Jahren und drei Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Nach der Verkündung des nunmehr sehr belastenden Urteils wandte sich unser Mandant an Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern. Dieser legte umgehend Revision ein und beantragte Akteneinsicht. Nach intensivem Durcharbeiten der Urteilsbegründung sowie der Akten, vor allem des Hauptverhandlungsprotokolls mit den Gerichtsbeschlüssen, begründete Rechtsanwalt Stern die allgemeine Sachrüge wie folgt:

  1. Rechtsfehlerhafte Verwertung des auf der Verständigung basierenden Geständnisses:

Zunächst rügte Rechtsanwalt Stern, dass das Landgericht aufgrund der Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft keine neuen tatsächlichen Feststellungen getroffen, mithin das in der ersten Instanz abgelegte Geständnis verwertet hatte, obgleich es über den erstinstanzlich vereinbarten und bereits ausgeschöpften Strafrahmen zum Nachteil unseres Mandanten hinausgegangen war.

Rechtsanwalt Stern erklärte, dass das erstinstanzlich abgelegte Geständnis nur dann hätte verwertet werden dürfen, wenn die Strafe des Landgerichts innerhalb des erstinstanzlich vereinbarten Strafrahmens geblieben wäre.

In der ersten Instanz sei eine Strafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren vereinbart worden, die zur Bewährung auszusetzen sei.

Das Amtsgericht hatte diesen Strafrahmen bereits voll ausgeschöpft.

Rechtsanwalt Stern argumentierte, dass das im Rahmen der Verständigung zustande gekommene Geständnis einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, wenn es in der Berufungsinstanz zu einer den Angeklagten beschwerenden Abänderung des Urteils kommen soll. Dies war bereits durch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06. Oktober 2010, III-4 RVs 60/10; StV 2011, 80 entschieden worden. Zudem recherchierte Rechtsanwalt Stern einen Aufsatz von Hartmut Schneider, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, in der NZWiSt 2015, 1, 4, der den hiesigen Fall behandelte. Hartmut Schneidet erläutert hier, dass die Staatsanwaltschaft den Angeklagten durch eine einseitige Strafmaßberufung nach einer erstinstanzlich getroffenen Verständigung in ein „strukturelles Verteidigungsdefizit hineinmanövriert“. Dies liegt darin begründet, dass die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß den nicht angefochtenen Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen lässt. Dadurch droht das legitime Vertrauen des Angeklagten darauf, das Gericht durch ein verständigungsbasiertes Geständnis im Gegenzug auf eine bestimmte Höchststrafe festlegen zu können, enttäuscht zu werden; denn nunmehr sieht er sich der durch § 331 Abs. 1 StPO nicht gebannten Gefahr ausgeliefert, mit seinem Geständnis nicht nur die Basis für den von ihm ohnedies hingenommenen (rechtskräftigen) Schuldspruch, sondern damit zugleich auch für eine den erstinstanzlich verabredeten Strafrahmen übersteigende Sanktion geliefert zu haben. Es leuchtet ein, dass diese Spannungslage fundamentalen Gerechtigkeitsvorstellungen widerstreitet und aus Fairnessgründen nicht hingenommen werden kann. Ihre rechtsstaatlich gebotene Auflösung sei aus Sicht von Schneider mit Hilfe von Art. 6 Abs. 1 EMRK zu bewerkstelligen. Danach hänge die strafprozessuale Verwertbarkeit des verständigungsbasierten Geständnisses im Falle einer Strafmaßberufung der Staatsanwaltschaft davon ab, wie das Berufungsgericht auf das Rechtsmittel zu reagieren gedenke: Möchte es dem Anliegen der Anklagebehörde näher treten und den Angeklagten zu einer Strafe verurteilen, die jenseits der erstinstanzlich abgesprochenen Obergrenze liegt, so sei es aus Fairnessgründen daran gehindert, seine Entscheidung auf das erstinstanzliche Geständnis des Angeklagten zu stützen. Vielmehr müsse die verständigungsbasierte Einlassung in derartigen Konstellationen einem aus Art. 6 Abs. 1 EMRK hergeleiteten Beweisverwertungsverbot unterliegen.

2. Unterlassene qualifizierte Belehrung


Ferner rügte Rechtsanwalt Stern, dass das Landgericht unseren Mandanten nicht qualifiziert darüber belehrt habe, dass es gedenkt, über den erstinstanzlich vereinbarten Strafrahmen hinauszugehen und damit das auf Grundlage der Verständigung abgelegte Geständnis unverwertbar sei.
Das Landgericht hatte unseren Mandanten nur allgemein belehrt.

Rechtsanwalt Stern erläuterte, dass somit nicht ausgeschlossen werden könne, dass unser Mandant das Geständnis vor dem Berufungsgericht lediglich im Hinblick darauf wiederholt habe, dass er das zuvor abgegebene für verwertbar gehalten habe, zumal unser Mandant zum Zeitpunkt seines zweiten Geständnisses überhaupt nicht absehen habe können, ob das erste verwertbar sei, weil die Verwertbarkeit davon abhängig gewesen sei, ob das Gericht über den erstinstanzlich vereinbarten Strafrahmen hinausgehen oder diesen akzeptieren würde.


Um dem Angeklagten diese Unsicherheit zu nehmen und ihm die vollumfängliche Ausübung seiner Verteidigungsrechte zu ermöglichen, müsse das Berufungsgericht den Angeklagten vor Einlassung zur Sache „qualifiziert“ über die Unwirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung und die Unverwertbarkeit seines erstinstanzlichen Geständnisses belehren, sofern es über die Obergrenze des ursprünglich vereinbarten Strafrahmens hinausgehen will (Schneider, NZWiSt 2015, 1, 5).

Hierbei handele es sich um eine wesentliche Verfahrensförmlichkeit, die in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen gewesen wäre.

Das Landgericht hatte die Angaben des zweiten Geständnisses in seinem Berufungsurteil berücksichtigt und unseren Mandanten zu einer höheren Freiheitsstrafe verurteilt. Dies führe zu einem Beweisverwertungsverbot.


Im Ergebnis schloss sich das Kammergericht der Auffassung von Rechtsanwalt Stern an, hob das Urteil des Landgerichts Berlin auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin ihre Berufung zurück, sodass es bei der Bewährungsstrafe blieb.

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Vorwurf des IBB-Betrugs durch Antrag auf Corona-Soforthilfe – Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage

Unser Mandant war einer der mehreren Beschuldigten, die wegen IBB-Betrugs ein Schreiben von der Staatsanwaltschaft erhalten hatten. Ein Strafbefehlsverfahren wegen Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1, 2 StGB war sodann gegen unseren Mandanten eingeleitet worden.

Besorgt aufgrund des Erhalts eines Strafbefehls wandte sich unser Mandant an Rechtsanwalt Stern. Nach Beauftragung mit der Verteidigung beantragte Rechtsanwalt Stern Akteneinsicht und holte die Akte auf der Geschäftsstelle ab. Sodann ließ er sich von unserem Mandanten in einem persönlichen Gespräch erklären, wie es zur Beantragung der Subvention in Höhe von 5.000,00 € gekommen war:

Unser Mandant wollte nach Beendigung seines vorherigen Arbeitsverhältnisses seine selbstständigen Tätigkeiten als Dolmetscher und Messebauer ausbauen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie entwickelte sich die Selbstständigkeit unseres Mandanten – so wie die vieler anderer Unternehmen, Soloselbstständigen und Freiberufler – allerdings nicht wie erwartet. Insbesondere gab es kaum mehr Aufträge. Aus Angst um seine berufliche und betriebliche Existenz entschloss er sich daher, den Corona-Zuschuss zu beantragen.

In einer umfangreichen Stellungnahme teilte Rechtsanwalt Stern mit, dass unser Mandant, soweit dies seinerzeit möglich war, die Antragsvoraussetzungen recherchiert habe. Genaue Informationen seien jedoch erst zu erlangen gewesen, wenn man die Warteschleife passiert hatte und den Antrag selbst lesen konnte. Dies geschah unter erheblichem Zeitdruck, da eine maximale Bearbeitungsdauer festgelegt war, innerhalb derer der Antrag fertiggestellt sein musste. Qualifizierter, belastbarer Rechtsrat war innerhalb der knapp bemessenen Antragsbearbeitungsfrist nicht einholbar.

Unser Mandant machte uns außerdem darauf aufmerksam, dass zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch keinerlei Möglichkeit bestanden habe, auf der Webseite der IBB die FAQs abzurufen, um sich einen Überblick über die von der IBB geforderten Kriterien für eine Antragsberechtigung für die Corona-Soforthilfe zu verschaffen. Erst einige Tage nach der Antragsstellung sei die Webseite dahingehend aktualisiert worden.

Des Weiteren konnte nach unserer Auffassung nicht hinreichend sicher bewiesen werden, dass unser Mandant mit (auch nur bedingtem) Vorsatz gehandelt hatte. Auch wäre ein Verbotsirrtum in dieser dynamischen Situation unvermeidbar gewesen.

Das Gericht folgte der Ansicht von Rechtsanwalt Stern insoweit, dass es das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage einstellte. Somit gilt unser Mandant weiterhin als unschuldig. Über dieses Ergebnis war unser Mandant äußerst erfreut.

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§ 267 Abs. 3 S. 2 StGB – Mittelbarer Zusammenhang zwischen Urkundendelikt und Schaden ausreichend

Mit Beschluss vom 11. April 2023 traf der fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs Aussagen hinsichtlich Urkundenfälschung mit Verwirklichung des Regelbeispiels der Herbeiführung eines Vermögensverlustes in besonders großem Ausmaß, § 267 Abs. 3 Satz 2 StGB. Dabei stellte der fünfte Senat fest, dass ein mittelbarerer Zusammenhang zwischen der Urkundenfälschung und dem Vermögensverlust großen Ausmaßes ausreichend zur Verwirklichung des Regelbeispiels sei.

Der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden bei dem die Freundin der Angeklagten an einem Diebstahl an ihrem Arbeitgeber beteiligt gewesen sei und dabei Bargeld in Höhe von acht Millionen Euro entwendet habe. Das Bargeld habe in einem Rollcontainer gelagert, zu dessen Abtransport ein Kleintransporter mit zuvor gestohlenem Kennzeichen genutzt worden sei. Dabei sei der Tatbestand des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in besonders schwerem Fall verwirklicht worden.

Fraglich war, ob für die Verwirklichung des Regelbeispiels aus § 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB, die Herbeiführung eines Vermögensverlustes in großem Ausmaß, ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Urkundenfälschung und Vermögensverlust erforderlich sei oder, ob nicht vielmehr ein mittelbarer Zusammenhang ausreiche.

Der BGH begründete in seinem Urteil ausführlich, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Urkundsdelikt und Schaden genüge.

Für eine solche Auslegung spreche zunächst der Wortlaut des § 267 Abs. 3 S. 2 StGB („einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt“). Dieser verlange lediglich, dass der Täter mit der Urkundenfälschung einen Vermögensverlust herbeiführe. Nicht erkennbar ist jedoch, dass dies unmittelbar durch die Tathandlung geschehen muss.

Auch der historische Wille des Gesetzgebers lasse nicht auf eine Unmittelbarkeitserfordernis schließen. Leitmotiv für die Einführung des Regelbeispiels sei vielmehr die erhöhte Strafwürdigkeit eines Täters, der einen großen Schaden im Zusammenhang mit der Verwendung von ge- oder verfälschten Urkunden verursacht.

Weiterhin wird mit der Systematik argumentiert. Dabei vergleicht der BGH das Regelbeispiel des Herbeiführens des Vermögensverlustes im großen Ausmaß mit dem Regelbeispiel der gewerbsmäßigen Begehung der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 1) und verweist dabei auf ein Urteil des zweiten Senats des BGH vom 2. November 2010 (579/09). In diesem wurde beschlossen, dass der Täter bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Urkundenfälschung seine Einnahmen nicht unmittelbar aus der Urkundenfälschung selbst erzielen muss. Etwas anderes könne mithin auch nicht für das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlusts in großem Ausmaß gelten.

Auch der Telos der Norm spreche für einen mittelbaren Zusammenhang zwischen der Urkundenfälschung und dem Vermögensverlust, denn eine Konstellation bei der ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, sei allenfalls gedanklich möglich, sodass man, wenn ein solcher Zusammenhang gefordert werden würde, § 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 faktisch keinen Anwendungsbereich hätte. Deswegen soll § 267 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 insbesondere solche Konstellationen erfassen, in denen sich die Täuschungsabsicht durch weitere Handlungen des Täters, Mittäters oder auch des Opfers selbst oder eines Dritten, in schädigender Weise im Vermögen des Opfers widerspiegeln, wofür ein mittelbarer Zusammenhang ausreicht.

Quelle: BGH, Beschl. v. 11. April 2023 – 5 StR 458/22

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Verstoß gegen das Waffengesetz – Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO

Unserem Mandanten wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vorgeworfen, als Verkäufer auf einem Trödelmarkt im Besitz eines in einer Verkaufskiste liegenden, etwa 10 bis 15 cm langen Butterflymessers gewesen zu sein und sich somit wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz strafbar gemacht zu haben.

Eine Verurteilung wäre im Hinblick auf das Einbürgerungsverfahren unseres Mandanten äußerst problematisch gewesen, weshalb unser Mandant unmittelbar nach Erhalt des Strafbefehls Kontakt mit Rechtsanwalt Stern aufnahm. Nach Mandatierung legte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern gegen den Strafbefehl umgehend Einspruch ein und beantragte sodann Akteneinsicht. Nach Durcharbeiten der Ermittlungsakte beschloss er, den im hiesigen Verfahren zuständigen Richter anzurufen.

Rechtsanwalt Stern schilderte im Telefonat, dass die vorgeworfene Tat eventuell schwierig beweisbar sei, weil viele Sachen in den von der Polizei in Augenschein genommenen Kisten gelegen hätten. Der Richter hielt aber entgegen, dass es ja auch eine Fahrlässigkeitsvariante gebe und daher durchaus eine Verurteilung in Betracht käme.

Im Ergebnis einigten sich die beiden jedoch auf eine Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer niedrigen Geldauflage. Da eine Einstellung nach § 153a StPO weder Verurteilung noch Schuldfeststellung ist, erfolgte keine Eintragung in das Bundeszentralregister. Unser Mandant ist nach wie vor nicht vorbestraft. Seinem Einbürgerungsverfahren stand somit nichts mehr im Wege.

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Verstoß gegen das WaffG – Bewährungsstrafe trotz doppelten Bewährungsbruchs

Unserem Mandanten wurde zur Last gelegt, verschiedenste verbotene Waffen (Stahlrute, Butterflymesser und Schlagring) besessen zu haben. Ferner seien bei unserem Mandanten weitere Waffen (u.a. Schreckschusswaffen inklusive Patronen, Gehstock mit Klinge, Baseballschläger mit diversen langen Nägeln und eine Machete) aufgefunden worden, welche er aufgrund einer entsprechenden Anordnung eines Waffenbesitzverbotes gem. § 41 Abs. 1 WaffG nicht besitzen durfte.

Zudem wurde gegen unseren Mandanten seit frühester Jugend in über 40 Verfahren wegen unterschiedlichster Delikte strafrechtlich ermittelt. Er wurde auch bereits wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zweimal rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt. Darüber hinaus wurde unser Mandant wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von über einem Jahr und während der Bewährungszeit wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Nur zwei Monate nach der letzten Verurteilung und noch innerhalb der bereits verlängerten Bewährungszeit wurden im Zuge einer Durchsuchung die oben benannten Waffen in seiner Wohnung aufgefunden, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft Berlin erhoben. Eine erneute Bewährungsstrafe war nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. 

Nach Mandatierung beantragte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern umgehend Akteneinsicht und holte die Akte auf der Geschäftsstelle ab.

In einem persönlichen Gespräch in den Büroräumen legte Rechtsanwalt Stern unserem Mandanten nahe, seine Lebensumstände zu ändern und sich einen neuen Job zu suchen. Diesen Rat setzte unser Mandant in die Tat um und zog in eine andere Stadt. Dort fand er auch einen neuen Arbeitsplatz. Der Grundstein für einen neuen Lebensabschnitt wurde gelegt.

In der Hauptverhandlung war das oberste Ziel von Rechtsanwalt Stern, dass unser Mandant trotz seiner zum Teil einschlägigen und erheblichen Vorstrafen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird. Damit die Freiheitsstrafe jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, muss neben einer Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, eine positive Sozialprognose vorliegen. Eine positive Sozialprognose liegt dann vor, wenn zu erwarten ist, dass die Verurteilung für den Verurteilten allein schon Warnung genug ist und der Verurteilte auch in Zukunft keine Straftaten mehr begeht. Dabei sind nach dem Gesetzeswortlaut namentlich folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • die Persönlichkeit des Verurteilten,
  • sein Vorleben,
  • die Umstände seiner Tat,
  • sein Verhalten nach der Tat,
  • seine Lebensverhältnisse und
  • die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

Aus diesem Grund erörterte Rechtsanwalt Stern ausführlich die neuen Lebensumstände, legte Arbeits- und Mietervertrag vor und sprach mit der Richterin und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft auch über die glaubhafte Distanzierung unseres Mandanten von seiner Waffenliebe. Zudem argumentierte Rechtsanwalt Stern, dass seit dem Vorfall über ein Jahr vergangen und die Durchsuchung durch das SEK äußerst traumatisch für unseren Mandanten und seine Familie gewesen sei. 

Vor diesem Hintergrund beantragte die Staatsanwaltschaft nur noch eine niedrige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung auszusetzen sei. Rechtsanwalt Stern schloss sich in seinem Plädoyer der Staatsanwaltschaft an, genau wie die Richterin, die antragsgemäß zu einer – zudem milden – Bewährungsstrafe verurteilte. Unser Mandant war ausgesprochen erleichtert über den Ausgang des Verfahrens.

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Bedingter Gefährdungsvorsatz bei Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr

Bei Rennen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ist die Feststellung eines bedingten Gefährdungsvorsatzes (§ 315d Abs. 2 StGB) oder auch eines bedingten Tötungsvorsatzes regelmäßig problematisch.

Mit Urteil vom 16. Februar 2023 entschied der vierte Strafsenat des BGH über ein Kraftfahrzeugrennen, bei dem die geschädigte Person ums Leben kam. Der Angeklagte und eine weitere Person verabredeten abends ein Kraftfahrzeugrennen durch ein Stadtgebiet. Die beiden trafen sich auf einem Parkplatz und fuhren sodann auf eine nahe gelegene Straße. Der Angeklagte befuhr dabei die Gegenfahrspur und begann sein Fahrzeug maximal zu beschleunigen, zunächst auf 101 km/h und schließlich auf 157 km/h. Nachdem der Anklagte das Fahrzeug der Geschädigten wahrnahm, leitete er eine Vollbremsung ein, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Überdies versuchte er dem entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen. Zum Zeitpunkt der Kollision befuhr der Angeklagte die Straße mit einer Geschwindigkeit von 105 km/h. Dabei prallte er mit der rechten Vorderseite seines Fahrzeugs auf das Fahrzeug der Geschädigten auf. Diese erlitt beim Zusammenstoß schwerste Verletzungen und starb später im Krankenhaus.

Der Fall wurde erstmals am 17. Februar 2020 vor dem Landgericht Kleve verhandelt. Dieses verurteilte den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und einer isolierten Fahrerlaubnissperre.

Gegen diese Entscheidung legte der Angeklagte Revision ein. Der BGH hob die Entscheidung mit Beschluss vom 18. Februar 2021 hinsichtlich des Angeklagten auf und verwies die Sache zurück zum Landgericht.

Das Landgericht verurteilte ihn anschließend am 7. Juni 2021 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und der Anweisung an Verwaltungsbehörden, dem Angeklagten vor Ablauf von 5 Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Dagegen legten Staatsanwaltschaft und Nebenklage Revision und Sachrüge zu Ungunsten des Angeklagten ein. In seiner Entscheidung hob der vierte Strafsenat des BGH das Urteil unter Verweis auf die subjektive Tatseite auf.

In der schriftlichen Urteilsbegründung kritisierte der Senat die Entscheidung des Landgerichts und traf Feststellungen zur subjektiven Tatseite:

Bedingter Tötungsvorsatz sei gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkenne (Wissenselement) und dies billige oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfinde, möge ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liege vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Weiterhin ist für die Beurteilung, ob der Täter bedingt vorsätzlich handelt, sowohl das kognitive als auch das voluntative Element umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellung zu belegen.

Nach Ansicht des vierten Strafsenats sei kein Indiz für einen bedingten Tötungsvorsatzes, dass der Angeklagte auch nach dem Überholen seines Kontrahenten sein Fahrzeug nicht unverzüglich auf die rechte Fahrspur zurücklenkte, insbesondere wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Angeklagte die Gegenfahrspur noch zu einem Zeitpunkt befuhr, zu dem ihm ein gefahrloses Überwechseln auf die rechte Fahrspur bereits möglich war.

Der Angeklagte hatte zwar einen erheblichen Vorsprung gegenüber seinem Kontrahenten, allerdings war nicht feststellbar, nach welcher Wegstrecke der Angeklagte den anderen Rennteilnehmer überholte und ab welchem Zeitpunkt ein gefahrloses Wiedereinscheren auf die rechte Fahrbahn möglich war. Überdies erfolgte die Kollision bereits fünf Sekunden später. Aus diesem Grund sei es abwegig, dass der Angeklagte nach erfolgreichem Überholen seines Kontrahenten ein risikoverminderndes Verhalten unterlassen habe, welches auf einen bedingten Tötungsvorsatz hindeuten würde.

Ein bedingter Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB läge vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.

In der schriftlichen Urteilsbegründung kritisierte der Senat das widersprüchliche Vorgehen des Landgerichts. Dieses verneinte das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes mit der Begründung, dass der Angeklagte auf das Ausbleiben einer Kollision mit dem Querverkehr vertraute. Gleichzeitig bejahte es aber einen bedingten Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB mit dem Argument, dass der Angeklagte mit der Kollision mit Verkehrsteilnehmern, die aus angrenzenden Straßen in die von ihm auf der Gefahrspur befahrene Vorfahrstraße einbiegen könnten, gerechnet habe.

Für die Annahme eines Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB sprechen die Höchstgefährlichkeit des vom Angeklagten absprachegemäß durchgeführten Kraftfahrzeugrennens durch die Innenstadt, und das Befahren der Gegenfahrspur mit – wenn auch kurzfristigen – deutlichen Überschreiten der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Jedoch muss darüber hinaus unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs eindeutig festgestellt werden, welche konkreten Gefährdungsszenarien sich der Angeklagte vorstellte, die zwar nicht zu einer Kollision, aber doch zu einer Situation führten, die als Beinaheunfall beschrieben werden kann. Dafür muss im Einzelnen dargelegt und tragfähig belegt werden, welche Geschehensabläufe sich der Angeklagte vorgestellt hat, die zwar nicht zu einer Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern, aber zu einem Beinaheunfall im zuvor genannten Sinne führen könnten. Dies sei jedoch vorliegend nicht geschehen.

Quelle: Urteil vom 16.02.2023 – 4 StR 211/22, BeckRS 2023, 8083

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Unterbindung und Einschränkung anwaltlicher Tätigkeiten bei dem Versammlungsgeschehen am Wochenende in Leipzig nach den Urteilen im „Antifa-Ost“-Prozess

Im Rahmen der Proteste gegen die Verurteilung von Antifaschist*innen vorletzte Woche und gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Leipzig kam es als Reaktion hierauf verschiedentlich zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Sächsische Polizei. Insbesondere setzte die Polizei am Samstag, den 03.06.2023 etwa 1.000 ehemalige Teilnehmer*innen einer Versammlung in einem sogenannten „Leipziger Kessel“ am Alexis-Schumann-Platz fest.

»Der RAV verurteilt das Vorgehen der Polizei aufs Schärfste. Rechtswidrig wurde den Betroffenen der Zugang zu vor Ort anwesenden Anwält*innen verweigert. Dass der sächsische Innenminister das fehlerhafte Vorgehen der Polizei beim „Leipziger Kessel“ deckt und Aufklärung verweigert, ist Ausdruck eines völlig verschobenen Diskurses, der autoritäre und rechte Strömungen weiter befeuert.«, so Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle, Vorsitzender des RAV.

Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 6 III c der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie § 137 Abs. 1 der Strafprozessordnung garantieren allen Beschuldigten in Strafverfahren, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem/einer Anwält*in verteidigen zu lassen. Mehreren im RAV organisierten Rechtsanwält*innen wurde trotz dieses grundlegenden Anspruchs der Betroffenen auf rechtlichen Beistand beim Leipziger Kessel der Kontakt mit sich darin befindenden Personen verweigert – und das, obwohl die Polizei bereits um 19:00 Uhr per Durchsage die Betroffenen als Beschuldigte in einem Strafverfahren über ihr Recht, sich anwaltlichen Beistand zu suchen, informierte.

So wurde schon zu Beginn dieses „Leipziger Kessels“ einer Kollegin das Gespräch oder auch nur die räumliche Annäherung an im Kessel befindliche Personen – notwendig zur ersten Kontaktaufnahme – verwehrt, obwohl zunächst Rufe nach Beistand zu vernehmen waren. Selbst eine Nachfrage bei den Betroffenen durch Polizeibeamt*innen, ob sie Kontakt mit der anwesenden Anwältin wünschten, wurde durch die Polizei ausgeschlossen.

Weitere Versuche von Kolleg*innen, den Betroffenen Beistand zu leisten, wurden über die folgenden Stunden hinweg trotz Insistierens der Anwält*innen durch die Polizei verhindert. Erst gegen Mitternacht durften einige wenige Kolleg*innen in den abgesperrten Bereich und dort mit einzelnen minderjährigen Betroffenen sprechen. Dass diese, sich bereits seit Stunden im Kessel befindenden Jugendlichen in der Menge der Personen vor Ort durch die Anwält*innen gesucht werden konnten, wurde durch die Polizei vorher ebenso abgelehnt, wie der Vorschlag, dass dann die Beamt*innen die betreffenden Minderjährigen ausfindig machen könnten. Eine „bevorzugte Abarbeitung von Minderjährigen“ war hier nicht zu erkennen.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Mark Feilitzsch aus Dresden:

»Den etwa 1.000 Menschen im Leipziger Kessel wurde erklärt, dass sie Beschuldigte in einem Strafverfahren seien und das Recht hätten, einen Verteidiger hinzuzuziehen. Tatsächlich hat die Polizei jedoch genau das verhindert. Es ist zunehmend zu beobachten, dass im Zusammenhang mit politischen Protesten die anwaltliche Berufsausübung und damit der Zugang der Betroffenen zu rechtlichen Beistand behindert wird. Wenn – wie nun dieses Wochenende in Leipzig – viele Betroffene von den Nachmittagsstunden bis in den frühen Morgen ohne jeden Zugang zu anwaltlichem Beistand bleiben mussten, ist das mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.«

Aber nicht nur den Rechtsanwält*innen wurde der Zugang zu den Betroffenen verwehrt. Auch den am Polizeikessel erschienenen und nachfragenden Eltern wurden ihre Kinder stundenlang vorenthalten. Selbst bei den anschließenden Maßnahmen der Belehrung der Minderjährigen, der Beschlagnahme von deren Telefonen, Durchsuchung und Identitätsfeststellung wurde den Eltern kein Anwesenheitsrecht eingeräumt. Die durch das stundenlange Festhalten eingeschüchterten und erschöpften Jugendlichen wurden aufgefordert, an polizeilichen Maßnahmen mitzuwirken und z.B. die PIN ihrer beschlagnahmten Telefone herauszugeben.

Dazu erklärt Rechtsanwältin Rita Belter aus Leipzig:

»Das Verhalten der Einsatzbeamt*innen verletzte in willkürlicher Weise die Rechte der Betroffenen und die der Sorgeberechtigten. Nun werden sich die Gerichte mit einer Vielzahl von Erlebnissen und der Feststellung deren Rechtswidrigkeit auseinandersetzen müssen.«

Eine weitere freiheitsentziehende Maßnahme wurde am 03.06.2023 vor dem Amtsgericht Leipzig vollzogen. Dort wurden ca. 20 – 25 Personen plötzlich von Polizeikräften zusammengedrängt und mit der Begründung, anlasslose Identitätsfeststellungen im Kontrollbereich vornehmen zu wollen, über zwei Stunden festgehalten. Die Identitätsfeststellung wurde – obwohl mehrfach angemahnt – erst 90 Minuten nach Kesselung begonnen. Zusätzlich erhielten alle dort Anwesenden einen grundlosen Platzverweis. Betroffen von diesen Maßnahmen war auch eine Rechtsanwältin, die unmittelbar nach der Haftvorführung ihres Mandanten bei dem Verlassen des Leipziger Amtsgerichts von den Polizeibeamt*innen mit in diesen Kessel gedrängt wurde und der ein Platzverweis nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Ort ihrer Kanzlei ausgesprochen wurde.

Verschiedentliche Versuche, eine Begründung für die nicht nachvollziehbaren Maßnahmen zu erhalten, scheiterten. Widersprüche wurden nicht aufgenommen.

Auch mit diesem Vorfall werden sich die Gerichte beschäftigen müssen: Die betroffene Kollegin erhebt nun Klage zum Verwaltungsgericht gegen diesen schweren Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit.

Ebenfalls wurde am darauf folgenden Sonntag jede Versammlung an der Gefangenensammelstelle an der Hauptwache der Polizei in Leipzig mit Verweis auf die Allgemeinverfügung (‚Versammlungsverbot‘) unterbunden. Als am Sonntag wartende Eltern, Angehörige und Freund*innen der (teilweise vorläufig) Festgenommenen an der Dimitroffstrasse auf die Entlassung der Festgenommenen aus dem „Leipziger Kessel“ warteten und versuchten, eine Versammlung anzumelden, wurden sie ebenfalls durch die Polizei gekesselt und Identitätsfeststellungsmaßnahmen unterzogen.

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Versandagent – Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO

Unserem Mandanten wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bochum vorgeworfen, in zahlreichen Fällen als sog. Versandagent Pakete mit Bargeldbeträgen postalisch empfangen und an Hintermänner weitergegeben zu haben.

Wie kam es zu dem Vorwurf?

Unser Mandant erhielt eines Tages eine E-Mail einer bestimmten Firma. Dabei bedankte sich der vermeintliche Personalmanager der Firma für eine angebliche Bewerbung unseres Mandanten für eine Verpacker-Stelle. Dieser E-Mail waren eine Stellenbeschreibung, das der Tätigkeit zugrunde liegende Konzept und ein Bewerbungsformular beigefügt. Der monatliche Verdienst sollte 450,00 Euro betragen.

Das unserem Mandanten mitgeteilte Konzept sollte wie folgt funktionieren:

Zunächst versendet die Firma Pakete ihrer Kunden an den Außendienstmitarbeiter, der die Pakete annimmt. Danach erhält der Außendienstmitarbeiter per E-Mail vorausbezahlte Versandpaketmarken. Diese klebt er sodann auf die erhaltenen Pakete und schickt diese Pakete anschließend weiter an den Endkunden.

Angesichts des professionellen Auftretens der eigentlichen Täter hatte unser Mandant angenommen, eine legale Tätigkeit als Versandagent auszuüben.

Nach Durchsicht der Ermittlungsakten und der umfangreichen Unterlagen unseres Mandanten, insbesondere des E-Mail-Verkehrs unseres Mandanten mit vermeintlichen Personal- und Projektmanagern stellte Strafverteidiger Rechtsanwalt Stern auch fest, dass sich nur der Eindruck gewinnen lasse, dass sich unser Mandant nicht vorstellen konnte, dass seine Tätigkeit Kriminellen hilft, sich die Vorteile der Tat zu sichern.

Rechtsanwalt Stern verfasste daraufhin einen Schriftsatz an das Amtsgericht und übersandte die E-Mail Korrespondenz zwischen unserem Mandanten und den Hintermännern. Er regte zur Vermeidung einer Hauptverhandlung an, das Verfahren im Dezernatswege einzustellen, da die Schuld unseres Mandanten als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehe.

Nichtsdestotrotz wurde ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Bochum angesetzt. Rechtsanwalt Stern hielt jedoch an seiner Verteidigungsstrategie fest und regte nochmals die Einstellung des Verfahrens an. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht teilten diese Auffassung zunächst nicht, weil unklar war, in wie vielen weiteren Fällen gegen unseren Mandanten noch ermittelt wurde. Einige Monate nach der Hauptverhandlung wurden jedoch alle Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Unser Mandant, der sich zu dem Zeitpunkt mitten in der Schreibphase seiner Bachelorarbeit befand, war hierüber äußerst erleichtert

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Gesamtschau aller Indizien bei Beurteilung der Erfolgsaussichten der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB

Der Angeklagte wurde vom Landgericht wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Überdies wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist.

In der schriftlichen Urteilsbegründung bemängelt der zweite Senat die lückenhafte Erörterung bezüglich der hinreichend konkreten Aussicht auf einen Maßregelerfolg, die nach § 64 S. 2 StGB jedoch erforderlich ist.

Für eine Solche hinreichend konkrete Aussicht müssen sich in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie finden lassen (BGH, Beschluss v. 20. März 2023 – 2 StR 479/21, Rn. 9; BGH, Beschluss v. 1. Oktober 2020 – 3 StR 325/20, juris, Rn. 4).

In der landgerichtlichen Entscheidung wurde die dissoziale Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten als negativer Faktor gewertet. Positiv sei jedoch seine Fähigkeit zur phasenweisen Abstinenz sowie das bisherige Fehlen von Therapieversuchen zu berücksichtigen.

Diese Indizien sind aus Sicht des BGH nicht ausreichend. Einbezogen werden soll überdies der soziale Empfangsraum des Angeklagten. Dieser umfasst beispielsweise folgende Aspekte: Familienstand, schulische und berufliche Ausbildung, das Vorhandensein einer Arbeitsstelle. Die Einbeziehung solcher Indizien muss im Rahmen einer Gesamtschau aller Indizien, die für und gegen eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sprechen, erfolgen.

Quelle: BGH, Beschluss v. 30. März 2023 – 2 StR 479/21

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Verbrechen des räuberischen Diebstahls und einfache Körperverletzung – Einstellung in der Hauptverhandlung

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, in einem Nagelstudio einer ihm bis dahin unbekannten Frau das Mobiltelefon aus der Hand gerissen und das Nagelstudio verlassen zu haben, um das Handy für sich zu behalten oder zu verwerten. Die Frau soll unserem Mandanten sodann hinterhergelaufen sein, um ihr Mobiltelefon zurückzuerhalten. Daraufhin habe unser Mandant der Frau mit der Faust gegen den Kopf geschlagen und den Tatort verlassen. Hierdurch soll sich unser Mandant wegen räuberischen Diebstahls gemäß §§ 249 Abs. 1, 252 StGB, der mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, und wegen einfacher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Der Vorfall soll von einer unabhängigen Zeugin beobachtet worden sein.

Nach der Beauftragung mit der Verteidigung holte Rechtsanwalt Stern die Ermittlungsakte beim Amtsgericht ab.

In einem persönlichen Gespräch gab unser Mandant an, dass es sein Handy gewesen sei, er hätte es der Frau lediglich geliehen. Außerdem sei die Frau Prostituierte gewesen und hätte sehr viel Geld von ihm genommen. Darüber hinaus stimme ihre Aussage, dass sie unseren Mandanten nicht kenne, noch nie mit ihm geredet habe oder sonst irgendwelche Berührungspunkte gehabt haben soll, nicht. Dies ergab sich auch aus der Ermittlungsakte. Die Frau wusste nämlich bei der Erstattung der Strafanzeige wegen des oben geschilderten Vorfalls sowohl seinen Spitznamen als auch seinen Nachnamen sowie seine Staatsbürgerschaft.

Des Weiteren ergab sich aus der Ermittlungsakte, dass sich die von der Frau und einer weiteren Kundin des Nagelstudios jeweils getätigten Aussagen in deren Vernehmungen widersprochen hatten. Während die Frau angab, dass unser Mandant ihr zuerst das Handy aus der Hand gerissen und ihr sodann außerhalb des Nagelstudios mit der Faust auf den Kopf geschlagen habe, erklärte die andere Kundin des Nagelstudios, dass unser Mandant der Frau zunächst mit der Hand auf den Kopf geschlagen, ihr anschließend das Mobiltelefon aus der Hand genommen habe und aus dem Laden gegangen sei.

In der Hauptverhandlung trug Rechtsanwalt Stern insbesondere die oben angeführten Argumente vor. Nach 3,5 Stunden Verhandlung und der konfrontativen dreier Zeugen durch Rechtsanwalt Stern blieb nur noch der Vorwurf der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1, 2 StGB übrig, die im Mindestmaß mit Geldstrafe bedroht ist. Im Hinblick auf eine andere rechtskräftige Verurteilung wurde das hiesige Verfahren auf Antrag der Staatsanwalt sogar gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Es erfolgte weder die Erteilung von Auflagen noch eine Eintragung in das Bundeszentralregister. 

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