Strafverteidiger

Inhaftierter stirbt in der JVA Moabit

Wie die Strafverteidigervereinigung heute berichtet, verstarb weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit in der Nacht vom 23. Juli auf den 24. Juli 2020 der 38-jährige Sami Berbeche mutmaßlich an einer Rauchvergiftung durch ein selbst gelegtes Feuer in seiner Zelle in der JVA Moabit.

Herr Berbeche berichtete im Haftprüfungstermin am 20. Juli 2020 von schweren Depressionen. Er äußerte mehrfach, in das Haftkrankenhaus eingeliefert werden zu müssen und berichtete, dass er sich bereits selbst verletzt habe. Er zeigte seine Wunden. Ins Protokoll wurde aufgenommen:

„Der Angeschuldigte teilte mit, er habe starke Depressionen und möchte einem Arzt vorgeführt werden“.

Die zuständige Richterin wies die anwesenden Justizwachtmeister ausdrücklich an, dieses Begehren in der JVA bekannt zu geben und notierte dies auch im Haftblatt. Maßnahmen wurden hiernach jedoch keine ergriffen. Herr Berbeche wurde nach dem Haftprüfungstermin weder einem Arzt vorgestellt noch in das JVK überführt. Die JVA Moabit hat nun bereits Konsequenzen gezogen und einen obligatorischen Sichtvermerk eingeführt. 

Die Strafverteidigervereinigung bemüht sich, den Vorgang aufzuklären.

Quelle: Newsletter der Strafverteidigervereinigung vom 18. August 2020

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Anklageerhebung Cyberkriminalität („App-Tester“)

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück – Zentralstelle Internet- und Computerkriminalität (Cybercrime) – hatte im März 2020 Anklage gegen drei junge Männer im Alter zwischen 19 und 22 Jahren u.a. wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Fälschung beweiserheblicher Daten und gewerbsmäßigen Betruges zum Landgericht Osnabrück erhoben.

In der Anklageschrift wird den drei Beschuldigten unter anderem zur Last gelegt, zwischen April und Oktober 2019 zunächst in 18 Fällen über das Internet vermeintliche „App-Tester“ von Banking-Apps angeworben zu haben, denen vorgetäuscht wurde, sie sollten auf Basis einer geringfügigen Nebenbeschäftigung die Banking-Apps bzw. den Service der N26-Bank oder der Postbank testen und bewerten. Tatsächlich eröffneten die „App-Tester“ jedoch unwissentlich auf den eigenen Namen für die Beschuldigten Bankkonten. Die Konten wurden anschließend in 140 Fällen als Empfangskonten für Zahlungen aus betrügerischen Verkaufsinseraten bei Internetportalen durch die Beschuldigten genutzt, wodurch ein Schaden in Höhe von ca. 85.000,00 € entstand. Die überwiesenen Gelder wurden anschließend in Bitcoins umgewandelt.

Neben diesen Taten werden den Beschuldigten in der Anklage teilweise auch noch für weitere Taten vorgeworfen. Dabei handelt es sich beispielsweise um weitere Betrugstaten, Urkundenfälschung, Verstoß gegen das Waffengesetz und Fahren ohne Fahrerlaubnis.

Die Beschuldigten, die bemüht waren, ihre Identität im Internet durch technische Maßnahme zu verbergen, konnten nach intensiven gemeinsamen Ermittlungen mit der Zentralinspektion Oldenburg -Task Force Cybercrime / Digitale Spuren- identifiziert und am 09.10.2019 im Raum Köln/Bonn festgenommen werden. Ein Beschuldigter befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft. Die Haftbefehle gegen die beiden anderen Beschuldigten wurden außer Vollzug gesetzt.

Der erste Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Osnabrück – Große Jugendkammer ist für den 04.06.2020 angesetzt.

Das Verfahren ist insofern interessant, als wir im Büro häufig Mandanten haben, die als vermeintliche App-Tester engagiert worden sind und gegen die nun Strafverfahren wegen Betrugs und Geldwäsche geführt werden. Je nachdem ob die Staatsanwaltschaft von der „Masche“ schon gehört hat oder nicht, ist es leichter oder schwieriger, die Staatsanwaltschaft zur Einstellung zu bewegen.

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Matt/Renzikowski StGB in 2. Auflage erschienen

Der in der Praxis bereits beliebte Kommentar Matt/Renzikowski zum Strafgesetzbuch, der seit der Erstauflage im Jahr 2013 Einzug in immer mehr Verteidigerbüros und Richterzimmer gefunden hat, ist nun in zweiter Auflage erschienen. Wir nutzen das Werk in der Kanzlei regelmäßig, weil es sich an unseren Bedürfnissen orientiert und im Gegensatz zu den meisten anderen einbändigen Kommentaren zum StGB auch wirtschaftsstrafrechtliche Probleme nicht ausspart, was man auch daran sehen kann, dass allein ein Zehntel der Kommentierung auf die §§ 263 und 266 StGB entfallen. Besonders nützlich sind die Abschnitte zu prozessualen Besonderheiten im Zusammenhang mit der jeweiligen Vorschrift – dort haben wir schon oft den Schlüssel für die Lösung unserer Fälle gefunden. So fallen auch die Anschaffungskosten in Höhe von 259,00 € nicht sonderlich ins Gewicht, zumal diese bei immerhin über 3.000 Seiten auch angemessen erscheinen. Überdies ist es den Herausgebern gelungen, die Autoren auf einen konsequent einheitlichen Aufbau der Kommentierung zu verpflichten. Das ist leider nicht selbstverständlich. Neben der Kommentierung der Tatbestandsvoraussetzungen finden sich daher stets auch ausführliche Abschnitte zu Konkurrenzen, Rechtsfolgen und anderen spezifischen Problemen.

Im Übrigen ist das Werk so bearbeitet, wie man es erwarten darf. Die Erläuterungen sind prägnant, strafrechtliche Entwicklungen werden kritisch begleitet und anhand auch abweichender Rechtsprechung Argumentationshilfen für die Verteidigung geliefert.

Trotz des Gewichts von über 2 kg ist der Kommentar handlich. Der Satz gefällt uns gut, der ubiquitäre Einsatz von Fettdruck führt die Augen der Leser rasch zu den gesuchten Stichworten. Zahlreiche Absätze liefern Übersicht.

Inhaltlich ist der Kommentar auf dem neuesten Stand. Eingepflegt wurden also etwa das neue Sexualstrafrecht, das neue Recht zur Bekämpfung des Menschenhandels, die Strafbarkeit von Sportwettbetrug, die Änderungen beim Wohnungseinbruchsdiebstahl, die Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen oder, die Neuregelungen beim Schwangerschaftsabbruch.

Wer sich das Werk beschaffen will, sollte natürlich vorher hineinsehen. Kommentierungen sind bekanntlich auch immer Geschmackssache. Die Leseprobe im Beck-Shop oder bei Vahlen ist dafür leider nicht geeignet, weil Ausschnitte aus der Kommentierung zu § 13 StGB ausgewählt worden sind. Ich wette 20 €, dass die Wahl auf diesen Abschnitt fiel, weil Mitsch ihn – zu Recht – in seiner Rezension zur 1. Auflage (2013) in der NJW hoch gelobt hatte. Die Stärke und Praxisrelevanz des Matt/Renzikowski liegt aus meiner Sicht jedoch eindeutig im Besonderen Teil des StGB . Die Kommentierung zur Untreue oder zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (beide von Matt) ist zum Beispiel phantastisch.

Matt/Renzikowski: StGB – Strafgesetzbuch, Kommentar, 2. Auflage 2020, 3065 S. Hardcover (In Leinen), Vahlen, 259,00 €.

Konstantin Stern, Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin

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Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch – Band 7 – Nebenstrafrecht II in 3. Auflage erschienen


Jeder kennt ihn und jeder weiß ihn zu schätzen: Den Münchner Kommentar. Zu den Vorzügen dieses Werkes gehört, dass es sich nicht auf das Kernstrafrecht beschränkt, sondern auch die Vorschriften
des Nebenstrafrechts anspruchsvoll und detailreich kommentiert.
Im Siebenten Band des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch, redaktionell verantwortet von Professor Dr. Roland Schmitz, wird vor allem das Wirtschaftsstrafrecht bearbeitet. Der Band vereint Strafvorschriften aus den folgenden Gesetzen:

  • MarkenG
  • UrhG
  • UWG
  • AO
  • SchwarzArbG
  • AÜG
  • BetrVG
  • AktG,
  • AWG
  • BauFordSiG
  • BörsG
  • DepotG
  • GenG
  • GewO
  • GmbHG
  • HGB
  • InsO
  • KWG
  • WpHG
  • TKG sowie
  • TMG

Damit sind erhebliche Regelungsmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes, des Steuerstrafrechts, des Arbeitsrechts, des Wirtschaftsstrafrechts sowie strafrechtliche Bestimmungen im Rahmen der neuen Kommunikationsmedien betroffen.

Die Neuauflage berücksichtigt die zahlreichen Gesetzesänderungen insbesondere in dem Bereich des Steuerstrafrechts, welches mit knapp 500 Seiten einen Schwerpunkt des siebten Bandes darstellt. Zudem wurde das WpHG nachhaltig durch das 2. Finanzmarktnovellierungsgesetz geändert, was in der Neuauflage breit verarbeitet ist.

Tiefgreifende Aktualisierungen und Neubearbeitungen der Vorschriften erfolgten auch aufgrund des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 und die neu veröffentlichte Rechtsprechung sowie Literatur.

Darüber hinaus wurde während der Drucklegung des Bandes das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 18. April 2019, mit seinem Art. 1 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) verkündet, das am 26. April 2019 in Kraft getreten ist. Obwohl Art. 5 GeschGehG die §§ 17-19 UWG aufhebt, wurde die Kommentierung der alten Fassung dieser Vorschriften in dem vorliegenden Band belassen, um den Leser vielfältig zu informieren.

Eine erste Kommentierung des neuen § 23 GeschGehG liegt Band 7 als Nachtrag bei. Die Kommentierungen der Vorschriften sind wie bei den anderen Bänden des Münchener Kommentars zum Strafgesetzbuch einheitlich aufgebaut. Es erfolgt zunächst die wörtliche Wiedergabe des jeweiligen Gesetzestextes, worauf ein Überblick über den Regelungszusammenhang folgt. Anschließend wird die jeweilige Norm detailreich erörtert Der Schreibstil ist wie üblich leserfreundlich.
Jeder, der sich mit den komplizierten und wirtschaftsstrafrechtlich beeinflussten Vorschriften des Nebenstrafrechts auseinandersetzen muss, findet in diesem siebten Band auf alle Fragen präzise, praxisnahe und vor allem aktuelle Antworten. Einschränkungen der Verständlichkeit gibt es freilich bei den in diesem Rechtsgebiet zahlreichen Blanketttatbeständen. Hier werden die üblichen Konstellationen durchaus besprochen. Für Spezialfragen muss man aber doch noch wenigstens einen zweiten Spezialkommentar zu dem jeweiligen Gesetz zu Rate ziehen.

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 7, Nebenstrafrecht II, 3. Auflage, Beck Verlag, München 2019, 1719 Seiten, 315,00 €

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