Vorgehen gegen den Haftbefehl und die Untersuchungshaft

Vorgehen gegen den Haftbefehl und die Untersuchungshaft

Gegen die U-Haft selbst kann in zweierlei Weise vorgegangen werden. Zum einen kann verlangt werden, dass der Haftbefehl aufgehoben wird, weil es an einer der drei Voraussetzungen für den Haftbefehl fehlt. Zum anderen kann vereinbart werden, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird, weil zwar die Voraussetzungen für den Haftbefehl vollständig vorliegen, aber weniger einschneidende Maßnahmen zur Verfügung stehen, die den Zweck des Haftbefehls – die Durchführung des Strafverfahrens – genauso gut erfüllen. Hierzu zählen Meldeauflagen oder die Hinterlegung einer Sicherheit (Kaution).

Voraussetzungen des Haftbefehls

Ein Haftbefehl hat 3 Voraussetzungen. Fehlt auch nur eine Voraussetzung, muss er aufgehoben werden. Erstens muss gegen Ihren Angehörigen ein dringender Tatverdacht vorliegen. Darunter wird eine hohe Wahrscheinlichkeit verstanden, dass Ihr Angehöriger die ihm vorgeworfene Straftat begangen hat. Zweitens muss ein sogenannter Haftgrund vorliegen. Als Haftgrund kommen ausschließlich in Betracht:

Flucht
  • Flucht: Flucht bedeutet, dass das Beschuldigt flüchtig ist oder sich verborgen hält. Im Falle einer Verhaftung ist Flucht als Haftgrund regelmäßig nicht mehr gegeben.

Fluchtgefahr
  • Fluchtgefahr liegt vor, wenn die Würdigung der Umstände des Falles es wahrscheinlicher macht, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen, als dass ers ich ihm zur Verfügung halten wird. Das Gericht wird die Fluchtgefahr zweistufig prüfen. Zunächst wird es untersuchen, ob dem Beschuldigten im Falle einer Verurteilung eine fluchtanreizbietende Strafe droht. Zweitens wird das Gericht feststellen, ob der Beschuldigte gefestigte Arbeits- und Wohnverhältnisse (Anmeldung, Familie, Kinder, Arbeitsplatz, Eigentum) aufweist oder ihm eine Flucht insbesondere ins Ausland aufgrund von Sprachkenntnissen und verfügbarem Vermögen leicht möglich wäre. Drittens wird er die drohende Strafe und die gefestigten Arbeits- und Wohnverhältnisse ins Verhältnis setzen. Je höher die drohende Freiheitsstrafe, desto gefestiger müssen die Arbeits- und Wohnverhältnisse sein. Das Gericht hat hier einen erheblichen Berurteilungsspielraum, sodass auch dem Verteidiger vielfältige Argumentationslinien zur Seite stehen, um die Fluchtgefahr auszuräumen. Die Fluchtgefahr ist in der Praxis der mit Abstand am häufigsten angenommene Haftgrund, obwohl die empirische Forschung gezeigt hat, dass Fluchtgefahr in der überwiegenden Zahl der Fälle zu Unrecht angenommen wird (Wolf 2017).

Verdunkelungsgefahr
  • Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert werden wird. Der Verdacht muss auf Tatsachen beruhen. Zudem begründet das Einwirken auf Beweispersonen den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nur, wenn es in unlauterer Weise, etwa durch Täuschung oder Bedrohung des Zeugen.

Schwerkriminalität
  • Wird dem Beschuldigten Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, besonders schwere Brandstiftung oder eine solche mit Todesfolge oder das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion mit Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen vorgeworfen, so kann nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Haftbefehl auch dann erlassen werden, wenn einer der oben genannten Haftgründe nicht besteht. Das Bundes Verfassungsgericht hält dies jedoch für verfassungswidrig und legt § 112 Abs. 3 StPO verfassungskonform dahin aus, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte.

Sicherungshaft
  • Sog. Sicherungshaft kann angeordnet werden, wenn der Beschuldigte eine bestimmte Anlasstat begangen haben soll und im Hinblick auf gleich geartete Straftaten Wiederholungsgefahr besteht. Anlasstaten können Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie solche Straftaten sein, die nach kriminalistischer Erfahrung besonders häufig von Serientätern begangen werden, etwa qualifizierte Diebstähle, Raubtaten und Brandstiftungsdelikte.

Drittens muss der Haftbefehl auch verhältnismäßig sein. Dabei ist die Schwere des Eingriffs in die Lebenssphäre des Beschuldigten gegen die Bedeutung der Strafsache und die Rechtsfolgenerwartung abzuwägen.

Wurde der Vollzug des Haftbefehls angeordnet, legen wir einen Rechtsbehelf gegen den Haftbefehl ein, um ihn überprüfen zu lassen. Ob eine Haftprüfung beantragt oder eine Haftbeschwerde eingelegt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird der falsche Rechtsbehelf gewählt, kann dies das Verfahren und damit auch die Untersuchungshaft erheblich in die Länge ziehen.

Haftprüfung
  • Wenn der Beschuldigte in Untersuchungshaft ist, kann Haftprüfung beantragt werden, die innerhalb von zwei Wochen durchgeführt wird. Die Haftprüfung ist eine mündliche Verhandlung darüber, ob der Haftbefehl aufzuheben oder dessen Vollzug auszusetzen ist. Haftprüfung kann zwar grundsätzlich jederzeit und auch wiederholt beantragt werden, doch wenn die Untersuchungshaft aufrechterhalten wird, findet ein erneuter Haftprüfungstermin erst statt, wenn die U-Haft mindestens drei Monate und seit dem letzten Haftprüfungstermin mindestens zwei Monate gedauert hat. Die Mündlichkeit der Haftprüfung ist ihr großer Vorteil, weil der Haftrichter regelmäßig zu Verständigungen über die Aussetzung des Vollzugs bereit ist. In strittigen Konstellationen können diese Verhandlungen auch mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Zudem besteht die Möglichkeit, nach Aktenkenntnis eine Einlassung abzugeben oder Beweise vorzulegen. Bleibt die Haftprüfung erfolglos, kann gegen den Haftfortdauerbeschluss Haftbeschwere eingelegt werden.

Haftbeschwerde
  • Gegen einen Haftbefehl kann auch Haftbeschwerde eingelegt werden. Dies ist ein schriftliches Verfahren, bei dem der Haftrichter seinen eigenen Haftbefehl überprüft. Hält er den Haftbefehl für rechtswidrig, muss er der Beschwerde abhelfen und den Haftbefehl aufheben. Regelmäßig hält der Haftrichter seinen eigenen Haftbefehl jedoch für rechtmäßig. Dann muss er jedoch die Akte dem Beschwerdegericht vorlegen. Der Vorteil der Haftbeschwerde besteht darin, dass nun ein anderes Gericht die Voraussetzungen prüft. Zudem hat das Beschwerderecht häufig auch mehr Zeit und Geduld, sich auch einmal mit Rechtsfragen auseinanderzusetzen.

Weitere Beschwerde
  • War die Haftbeschwerde erfolglos, kann gegen den Haftfortdauerbeschluss des Beschwerdegerichts weitere Beschwerde zum Kammergericht/Oberlandesgericht beantragt werden.