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Verhandlungsbeginn in Celler Terrorverfahren

Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts hat mit Beschluss vom 16. Januar 2020 die Anklage der Bundesanwaltschaft gegen einen 33jährigen Syrer zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (4 StS 1/19).

Dem Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, sich in Syrien als Mitglied an einer ausländischen terroristischen Vereinigung („Liwa Al-Izza Lil-lah“) beteiligt zu haben (§§ 129a, 129b StGB). Bei dieser Vereinigung soll es sich um eine militant-islamistische Gruppierung mit dschihadistischen Tendenzen handeln, deren Zwecke und Tätigkeit auf die Begehung von Mord, Totschlag sowie Straftaten gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz gerichtet gewesen sei. Ziel der Vereinigung, die u.a. mit der „Jabhat al-Nusra“ kooperiert habe, sei die Errichtung eines islamischen Staates.

Der Angeklagte soll im Februar 2013 mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnet an Kampfhandlungen teilgenommen und gemeinsam mit anderen Kämpfern der „Liwa Al-Izza Lil-lah“ die Residenz des syrischen Luftwaffengeheimdienstes in Tabka erobert sowie nach der Eroberung zwischen August 2013 und Anfang 2014 bewaffnete Patrouillendienste geleistet haben.

Für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vor. Seit dem 15. Juli 2019 befindet sich der Angeklagte in dieser Sache in Untersuchungshaft.

Die Hauptverhandlung beginnt am 20. Februar 2020.

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BGH bestätigt Urteil de Landgerichts Berlin im Fall der Tötung des Sängers der Band „Squeezer“ – Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger verworfen.

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 22. Januar 2020 – 5 StR 407/19 die beiden Angeklagten wegen Totschlags in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit besonders schwerem sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu Freiheitsstrafen von dreizehn und vierzehn Jahren verurteilt. 

Nach den Urteilsfeststellungen töteten die stark alkoholisierten und daher in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkten Angeklagten den als Sänger der Band „Squeezer“ (Blue Jeans) bekannten Musiker und Moderator Jim R. im Januar 2016 in einem Berliner Hostel mit brutalen Schlägen und Tritten. Tatmotiv waren Wut und Empörung der Angeklagten darüber, dass ihnen ihr Zimmergenosse sexuelle Avancen gemacht hatte. 

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen der Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen verworfen, weil die Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben hat. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Tat als besonders schweren Fall des Totschlags (§ 212 Abs. 2 StGB), für den das Gesetz die gleiche Strafe wie für Mord vorsieht, nämlich die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe vorsieht. Das Landgericht hat insofern zulasten der Angeklagten rechtsfehlerfrei vor allem auf die brutale und erniedrigende Penetration des bewusstlosen Opfers abgestellt. Die Verneinung des Mordes durch das Landgericht unter dem Aspekt der niedrigen Beweggründe (§ 211 StGB) hat der 5. Strafsenat rechtlich ebenfalls nicht beanstandet. Insbesondere hat das Landgericht bedacht, dass ein allein an die sexuelle Orientierung des Opfers anknüpfendes Motiv als niedrig und die Tat damit als Mord zu bewerten sein kann. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts war dies aber nicht das Hauptmotiv. 

Quelle: PM des BGH vom 22.01.2020

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Voll ausgelastete Untersuchungsgefängnisse

Die Berliner Zeitung schreibt in einem Artikel über „neue Herausforderungen hinter Gittern“ (18. November 2019, S. 9) und meint damit vor allem den Anstieg der Zahl der Inhaftierten mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft. Vor fünf Jahren wären 44,8 % der Inhaftierten in der JVA Moabit Deutsche gewesen. Jetzt seien es nur noch 30,5 %.

Tatsächlich ist dies ein interessante Phänomen. Ob es an der raschen Annahme der Fluchtgefahr bei Hauptwohnsitzen im Ausland liegt? Die kriminalistische Forschung ist jedenfalls voller Ideen, warum besonders viele Ausländer in Haft sitzen.

Irritierend ist jedoch, was die Berliner Zeitung unter einem ausgelasteten Untersuchungsgefängnis versteht:

Die JVA Moabit ist in erster Linie eine Untersuchungshaftanstalt. Wenn irgendwo ein Beschuldigter festgenommen wird und der Ermittlungsrichter einen Haftbefehl erlässt/aufrechterhält und keinen Raum für eine Haftverschonung sieht, kommt der männliche Beschuldigte in Untersuchungshaft nach Moabit. Es lässt sich aber schwer vorhersagen, wann sich der nächste Beschuldigte bei einer schweren Straftat erwischen lässt. Ein voll ausgelastetes Untersuchungsgefängnis dürfte daher bereits vorliegen, wenn noch 10 % der Betten frei sind. Ansonsten wird aus der „nicht vollen Auslastung“ in Windeseile eine „übervolle Auslastung“.

Konstantin Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht

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Promillegrenzen bei E-Scootern (Elektrotretrollern)

In unserer Kanzlei häufen sich die Fälle, in denen Mandanten auf Elektrotretrollern (sog. E-Scooter) von der Polizei angehalten werden. Nach einer Atemalkoholmessung stellt sich regelmäßig heraus, dass die Mandanten betrunken gefahren sind. Häufig hat man dies den Fahrern jedoch nicht angemerkt, es gab also keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen wie Schlägellinienfahren oder ähnliches.

In diesen Fällen macht man sich nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) nur strafbar, wenn aufgrund des Wertes der Blutalkoholkonzentration unwiderleglich feststeht, dass der Fahrer nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen.

(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.

Bei Kraftfahrzeugen wie Pkw, Lkw oder Motorrädern liegt dieser Wert nach ständiger Rechtsprechung bei 1,1 Promille, bei Radfahrern bei 1,6 Promille. Liegt der Wert des E-Scooter-Fahrers – wie so häufig – dazwischen kommt es darauf an, ob E-Scooterfahrer wie Pkw-Fahrer oder wie Radfahrer zu behandeln sind.

Da sich aufgrund der Neuheit des Phänomens noch keine Rechtsprechung etabliert hat, ist hier Raum für Argumente:

Für eine Behandlung der E-Scooter als Kraftfahrzeug spricht, dass nach § 1 Abs. 2 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) Kraftfahrzeuge solche Landfahrzeuge sind, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Der E-Scooter wird – anders als Fahrräder – ebenfalls ausschließlich durch Maschinenkraft bewegt und wäre demnach dem Auto gleichzustellen.

Allerdings haben die Gerichte nicht immer nur auf das Kriterium „Maschinenkraftantrieb“ abgestellt. Das LG Oldenburg hat etwa bereits 1989 (NS 319 s 4188/89) entschieden, dass Leichtmofas wie Fahrräder behandelt werden sollten, weil sie maximal 20 Km/h fahren und ohne Helm geführt werden dürfen. Der BGH (4 StR 262/81) hat – für normale Mofas – neben der Antriebsart ebenfalls auf die Gesamtleistungsfähigkeit und die Gefahr für den Straßenverkehr abgestellt.

Auch für E-Bikes, die wesentlich durch Elektromotorunterstützung angetrieben werden, gilt bei einer Unterstützung bis 20 Km/h der Promillewert für Fahrräder.

Daher konnten wir stets – und bislang erfolgreich – vertreten, dass für E-Scooter-Fahrer die Promillegrenzen der Fahrradfahrer gelten.

Konstantin Stern, Rechtsanwalt in Berlin

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Staatsanwaltschaft Göttingen nimmt mutmaßlichen Online-Erpresser aus Krefeld in Haft – trotz Schadens von nur 4.000 €

Dem Mann wird zur Last gelegt, auf einer sozialen Internetplattform eine 43-jährige Frau aus dem Raum Salzgitter mit kompromittierenden Bildern erpresst zu haben. Durch Vorspiegelung ernsthaften Interesses an der Bildung einer gemeinsamen Liebesbeziehung und Täuschung über die eigene Identität brachte er die Geschädigte dazu, ihm sehr persönliche, teilweise auch intime Bilder zu übersenden. Im späteren Verlauf drängte er die Geschädigte immer intensiver, ihm mit Geld auszuhelfen. Nachdem die Betroffene hierauf nicht eingegangen war, drohte er, ihren Angehörigen und Bekannten die kompromittierenden Bilder zukommen zu lassen. Aus Angst und Scham übermittelte die Geschädigte ihm einen Betrag von 4.000,00 €. Als der Beschuldigte sie sodann sofort zu einer weiteren Zahlung aufforderte, wendete sie sich an die Polizei. Es sei dann wohl recht einfach gewesen, die Identität des Mannes zu ermitteln.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das Amtsgericht Göttingen einen Haftbefehl erlassenen hat und dieser auch vollstreckt wird, der Mann also in Haft musste. Das Amtsgericht soll die Untersuchungshaft mit einer bestehenden Fluchtgefahr begründet haben.

Die Strafandrohung liegt für eine Erpressung jedoch nur bei Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren, also genau wie beim einfachen Diebstahl. Der Mann wäre aber wohl kaum in Haft gekommen, wenn er der Frau eine Brieftasche mit 4.000 € gestohlen hätte. Aber auch ohne Vergleich mit dem Diebstahlstatbestand: Der Schaden ist verhältnismäßig gering, zumal das Geld mit einiger Wahrscheinlichkeit wird zurückgebucht werden können. Wie soll da eine fluchtanreizbietende Freiheitsstrafe rauskommen?

Rechtsanwalt Stern, Strafverteidiger

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Urteil gegen 42jährigen Syrer wegen Unterstützung der Jabat al-Nusra rechtskräftig

Das Oberlandesgericht Celle – 5. Strafsenat, Staatsschutzsenat (Az. 5 StS – 1/18) – hatte im Dezember 2018 einen 42jährigen Syrer wegen Unterstützung der „Jabat al-Nusra“ als einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und wegen weiterer Anklagepunkte freigesprochen. Die dagegen vom Angeklagten zum Bundesgerichtshof erhobene Revision blieb – von einer Änderung des Schuldspruchs abgesehen – ohne Erfolg: Der Bundesgerichtshof verwarf am 16. Oktober 2019 (Az. 3 StR 262/19) die Revision des Angeklagte.

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Festnahme eines weiblichen mutmaßlichen IS-Mitglieds („Schwesternetzwerk“) am Flughafen Frankfurt

Die Generalstaatsanwaltschaft Celle hat gestern (3. Dezember 2019) aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Celle vom 27.11.2019 die 30-jährige deutsche und syrische staatsangehörige Lorin I. auf dem Frankfurter Flughafen durch Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen festnehmen lassen. Die Beschuldigte war unmittelbar zuvor – gemeinsam mit ihren vier in Syrien geborenen minderjährigen Kindern – aus der Türkei nach Deutschland abgeschoben worden.

Die Beschuldigte wird verdächtigt, sich als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“ beteiligt zu haben. Dem Haftbefehl zufolge reiste sie im Dezember 2014 über die Türkei nach Syrien, um sich dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen und dessen bewaffneten Kampf im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs zu unterstützen. Von Syrien aus soll sie – als Teil eines „Schwesternnetzwerks“ – die Ausreise mehrerer Frauen von Deutschland in das Herrschaftsgebiet des IS organisiert, dort die Heirat mit IS-Kämpfern vermittelt und ihrem damaligen eigenen Ehemann ermöglicht haben, für die terroristische Vereinigung als Kämpfer tätig zu werden, indem sie sich um die Haushaltsführung und die Erziehung der Kinder im Sinne der Ideologie des IS kümmerte.

Die Beschuldigte wird im Laufe des heutigen Tages dem Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts Celle vorgeführt, der ihr den Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ist strafbedroht:

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

Richtet sich der Zweck der Vereinigung auf die Begehung schwerer Straftaten wie Mord (§ 211), Totschlag (§ 212), Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 891011 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, so ist bereits die Beteiligung als Mitglied ein Verbrechen, dass mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis 10 Jahren strafbedroht ist.

Quelle: PM der GenStA Celle vom 04.12.2019

Nachtrag: Der Ermittlungsrichter hat den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet.

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Blogrundschau Strafrecht 02.12.2019

Udo Vetter zur Frage seines Mandanten, ob er für die Erfüllung der Meldeauflage Kilometergeld bekomme.

Burhoff über den Beschluss des BayObLG vom 02.08.2019 – 201 ObOWi 1338/19, in dem dieses die Anträge auf Beiziehung von Rohmessdaten abweichend vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes und zahlreicher Stimmen in der Literetur, in Übereinstimmung jedoch mit zahlreichen OLGs, darunter insbesondere dem OLG Bamberg, als Beweisermittlungsanträge ansieht, deren Ablehnung regelmäßig nur unter Aufklärungsgesichtspunkten (vgl. § 244 Abs. 2 StPO bzw. § 77 Abs. 1 OWiG) gerügt werden könne.

Burhoff über den Beschluss des BGH vom 19.09.2019 – 1 StR 235/19, in dem dieser es für revisibel gehalten hat, wenn der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommene Staatsanwalt den Schlussvortrag (Plädoyer) hält und darin auch eine eigene Zeugenaussage würdigt: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht

Stern, Rechtsanwalt für Strafrecht

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gut gesessen

Aus der völlig überfüllten S-Bahn steigen am Ostkreuz einige Leute aus, ein Mitfahrer findet einen Platz, setzt sich und meint zu seinem Freund:

„Ich habe einige Jahre unschuldig gesessen, aber noch nie so gut wie jetzt.“

Da weiß jemand die einfachen Dinge zu schätzen.

Rechtsanwalt Stern

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Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. November 2019 (2 StR 557/18) zwei Justizvollzugsbedienstete vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung nach Gewährung von Vollzugslockerungen freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Limburg hatten die in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten als Abteilungsleiter im Strafvollzug tätigen Angeklagten einem bereits vielfach wegen Verkehrsdelikten vorbestraften Strafgefangenen offenen Vollzug und dort weitere Lockerungen in Form von Ausgängen gewährt, ihm u.a. aber auferlegt, kein Fahrzeug zu führen. Während eines Ausgangs hatte der Strafgefangene ohne Fahrerlaubnis ein Fahrzeug geführt, war in eine Polizeikontrolle geraten und sodann geflüchtet. Dabei lenkte er trotz eines Rammversuchs durch die Polizei sein Fahrzeug bewusst auf die Gegenfahrbahn einer vierspurigen Bundesstraße und setzte dort seine Flucht als „Geisterfahrer“ fort, wobei ihm nunmehr die Polizei mit zwei Fahrzeugen auf gleicher Fahrbahn folgte. Er stieß mit dem Fahrzeug einer 21jährigen Frau zusammen, die ihren tödlichen Verletzungen erlag. Der Strafgefangene ist wegen dieser Tat u.a. wegen Mordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. 

Das Landgericht hat die beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs dieses Urteil aufgehoben und die Angeklagten freigesprochen. 

Nach den rechtsfehlerfrei und umfassend getroffenen Feststellungen waren die Entscheidungen, den Strafgefangenen in den offenen Vollzug zu verlegen und ihm weitere Lockerungen zu gewähren, nicht sorgfaltspflichtwidrig. Vollzugsbedienstete haben bei jeder Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit einerseits und dem grundrechtlich geschützten Resozialisierungsinteresse eines Strafgefangenen andererseits abzuwägen. Die Angeklagten haben hier auf einer den Landesbestimmungen für den Strafvollzug entsprechenden Entscheidungsgrundlage entschieden; Anlass, weitere Informationen einzuholen, bestand für die Angeklagten hier insoweit nicht. Sie haben – aus der maßgeblichen Sicht zum damaligen Zeitpunkt – alle relevanten für und gegen eine Vollzugslockerung sprechenden Aspekte berücksichtigt und den mit Entscheidungen über Vollzugslockerungen verbundenen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. 

Ob im weiteren Vollzugsverlauf den gebotenen Kontroll- und Überwachungspflichten ausreichend nachgekommen wurde, musste der Senat nicht entscheiden. Denn eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann nicht in Betracht, wenn das zum Tod führende Geschehen so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegt, dass mit ihm nicht gerechnet werden kann oder muss. Der hier vom Landgericht erschöpfend festgestellte Fluchtablauf, bei dem der Strafgefangene auch das Mordmerkmal der Gemeingefährlichkeit verwirklicht hat, war in diesem Rechtssinne nicht vorhersehbar. 

Vorinstanz:  Landgericht Limburg – Urteil vom 7. Juni 2018 – 5 KLs 3 Js 11612/16

Quelle: PM des BGH vom 26. November 2019

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