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Berlin und Brandenburg bauen Blitzer ab

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 5. Juli 2019, wonach ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht auf die Messung eines Blitzers gestützt werden darf, der die Rohmessdaten nicht speichert, haben die ersten Bundesländer die bei ihnen genutzten Blitzer abgeschaltet, darunter auch Berlin und Brandenburg.

Das Gericht hatte den schon seit jeher von der Verteidigung erhobenen Einwand, ohne Rohmessdaten sei eine sachgerechte Verteidigung unmöglich, ernst genommen und die Aufnahmen des betroffenen Gerätes Jenoptik TraffiStar S350 für unverwertbar erklärt. Indes ist dies nicht das einzige Gerät, das die Rohmessdaten nicht speichere. Das Land hatte sich damit verteidigt, die Nicht-Speicherung entspräche dem Grundsatz der Datensparsamkeit.

Berlin hat nun etwa die Blitzer in der Frankfurter Allee und in der Seestraße entfernt. Zu hoffen ist allerdings, dass Autofahrer nun nicht blindlings die Rechtsstaatlichkeit des Verfassungsgerichtshofs für Rasereien ausnutzen. Immerhin sei daran erinnert, dass die Polizei noch über mobile Geschwindkeitsmessgeräte verfügt, die den Anforderungen des Gerichts genügen.

Das Urteil Lv 7/17 kann hier heruntergeladen werden.

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Google Maps erfolgreich zur Vermisstensuche genutzt

In Florida hat sich ein Google-Maps-Nutzer den Teich hinter seinem ehemaligen Wohnhaus genauer angesehen und festgestellt, dass darin wohl ein Pkw versenkt sei. Er informierte den aktuellen Eigentümer des Hauses, der seiner Drohne einen echten Sinn geben konnte und ebenfalls den Teich aus der Vogelperspektive in den Blick nahm. Erneut sah das Objekt schwer nach einem Pkw aus. Nun rückte die Polizei an und holte die Rostlaube aus dem Wasser. Auf dem Fahrersitz saßen die Überreste von William Moldt, der im Jahr 1997 nach einem Nachtclubbesuch spurlos verschwunden war. Nun ermittelt die Polizei, schreibt Spiegel Online.

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11 Jahre Haft für in rassistischer Absicht angezündetes Holzkreuz

Ein 38jähriger Amerikaner aus dem Bundesstaat Mississippi ist durch ein Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt worden, weil er in Ku-Klux-Klan-Manier ein Holzkreuz gebaut, vor dem Haus eines 16jährigen Schwarzen aufgestellt und schließlich angezündet hatte, um dem 16Jährigen und wohl auch den übrigen schwarzen Bewohnern des von nur gut 300 Menschen bewohnten Dorfes Seminary Angst zu machen, schreibt Spiegel Online.

In Deutschland wäre die Tat wohl als Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB strafbar. Die Strafandrohung liegt bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe:

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

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Das letzte Wort darf auch mehrere Tage dauern

In Hamburg hat ein wegen versuchten Mordes angeklagter Bankräuber schon an zwei Hauptverhandlungstagen mehrstündige „letzte Worte“ gesprochen, sich darin zu seinen Taten geäußert, aber auch zur Architektur der Banken, in die er eingebrochen war, den Fluchtwegen und zum Bodenbelag, las ganze Beschlüsse vor und erzählte von seinem Leben im Gefängnis. Eine durchaus beeindruckende Leistung, denn der Angeklagte tat all dies ohne Redemanuskript, schreibt beck-aktuell.

Das Recht auf das letzte Wort wird dem Angeklagten in § 258 Abs. 2 Hs. 2 StPO gewährt. In § 258 StPO heißt es:

Abs. 1: Nach dem Schluss der Beweisaufanhme erhalten Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.

Abs. 2: Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

[…]

Es dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs. Der Angeklagte darf grundsätzlich alles vorbringen, was er für erforderlich hält, um das Gericht von seiner Unschuld oder einer milden Sanktionierung zu überzeugen. Auf eine bestimmte Redezeit darf der Angeklagte nicht beschränkt werden, auch darf ihm das Wort grundsätzlich nicht abgeschnitten werden.

Seine Grenze findet das Recht auf das letzte Wort wie auch sonst in Fällen des Missbrauchs. Denn wer das Recht missbraucht, kann es nicht gebrauchen. Missbrauch wird angenommen bei ständigen Wiederholungen oder abwegigen, ausschweifenden oder ehrkränkenden Äußerungen (BGH 3, 368). Allerdings darf das Wort nicht sofort, sondern erst nach mehrmaligem vergeblichen Ermahnungen entzogen werden.

Verstöße gegen § 258 Abs. 2 Hs. 2 StPO sind mit der Revision anfechtbar. Da sie einen relativen Revisionsgrund darstellen, muss das Urteil auf dem Fehler beruhen. Davon wird jedoch bei Verstößen gegen § 258 Abs. 2 Hs. 2 StPO in aller Regel auszugehen sein, weshalb das Landgericht Hamburg wohl meint, nur vorsichtig ermahnen zu dürfen.

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Ermittlungen wegen fehlerhafter Arztbefunde

Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen ermittelt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen einen niedergelassenen Pathologen wegen fehlerhafter Befunde. Der Pathologe soll Gewebeproben fehlerhaft befundet haben, was zu unnötigen Krebsoperationen geführt haben soll.

Nach herrschender Meinung stellen auch kunstgerecht durchgeführte ärztliche Eingriffe eine Körperverletzung dar, die durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt und damit straflos sind. Diese Einwilligung ist jedoch nur wirksam, wenn die Aufklärung korrekt war und der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgte und insbesondere auch indiziert war. Dem Arzt wird daher eine Körperverletzung vorgeworfen, da ein bedingter Vorsatz allerdings kaum naheliegt, nur als Fahrlässigkeitsvorwurf.

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Urteil im S&K-Prozess gegen J. K. und M.-C. Sch. rechtskräftig

Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten K. wegen Untreue, Anstiftung zur Untreue in sechs Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe  von  acht Jahren   und   sechs  Monaten  und   den   Angeklagten M.-C. Sch. wegen Untreue in 34 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte K. aufgrund der abgeurteilten Taten 1.200.000 € erlangt hat.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revisionen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2017 durch Beschluss vom 20. August 2019 verworfen. Das Urteil ist damit gegen beide Angeklagten rechtskräftig. 

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. August 2019 – 2 StR 101/18 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 06.09.2019
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Eickelberg: Didaktik für Juristen

Denken wir für einen Moment an die Uni-Zeit zurück. Manch einem fällt das nicht schwer, andere müssen die verstaubte Erinnerungskiste aus dem Keller holen, die dort hinter der Box mit den Dias und der alten Couchgarnitur steht und wieder andere erinnern sich an an den netten Whatsapp-Gruppenchat heute morgen in Hörsaal 5. Einen dürfte jedoch alle die Wahrnehmung, dass juristische Lehrveranstaltungen – ganz unabhängig von persönlichen Vorlieben – in ihrer Qualität schwanken wie ein Wiesnbesucher um 3 Uhr in der Früh. Dieses Problem hat der Verlag Franz Vahlen erkannt und das Buch „Didaktik für Juristen“ von Jan M. Eickelberg, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, herausgebracht.

Wer erstmals vor der Aufgabe steht, eine juristische Lehrveranstaltung durchführen zu dürfen, stellt rasch fest, dass der Buchmarkt für alles einen Ratgeber bietet, sich für die spezifischen Probleme der Jura-Dozenten aber niemand interessiert. Dies hat zur Folge, dass viele die selbst erlebten und für nicht vollkommen ungeeignet aufgefassten Lehrstrategien zu imitieren versuchen mit der Folge, dass juristische Veranstaltungen im Jahr 2017 im Wesentlichen wohl noch genauso durchgeführt werden wie vor 50 Jahren. (Beweisen kann diese steile These hier freilich niemand.)

Eickelberg zeigt nun immerhin für das Lehrformat der Vorlesung, wie man es besser machen kann. Von der Vorbereitung („Was sind meine Kernbotschaften?“) über die Durchführung („Was tun gegen Lampenfieber?“) bis hin zur Nachbereitung („Feedback!!“) wird der Leser an die Hand genommen und um die vielen denkbaren Fallstricke herumgeführt. Besonders gut hat uns dabei die theoretische Fundierung gefallen, in der aus behavioristischer, kognitivistischer, konstruktivistischer und konnektivistischer Sicht auf das Lernen geblickt und daraus Konsequenzen für eine gelungene Lehrveranstaltung abgeleitet werden. Selbst wer in naher Zukunft keine Lehrveranstaltung planen will, sondern „nur“ für Klausuren lernen muss, sollte sich dieses Kapitel (S. 7-14) zu Gemüte führen und das eigene Lernverhalten daraufhin prüfen. Der knappe Überblick über die Studienlage zur Lehr/Lernforschung, vor allem zur Hattie-Studie – ist ebenfalls gelungen.

Didaktik für Juristen

Aus Theorie und Praxis leitet Eickelberg sodann sieben didaktische Grundlagen einer gelungenen Lehrveranstaltung aus, die ziemlich genau dem entsprechen, was wir von Vorlesungen erwarten:

1. Motivation der Studierenden
2. Regelmäßige Wiederholungen
3. Visualisierung und Veranschaulichung
4. (Methoden-)Wechsel zwischen rezeptivem und expressivem Lernen
5. Aktivierung von und Anknüpfung an das Leistungsniveau und das Vorwissen der Studierenden
6. Etablierung einer konstruktiven Lern- und Feedbackkultur
7. Struktur und Beschränkung

Diese Grundlagen werden sodann im Hauptteil ausführlich exemplifiziert. Wir können uns nur mit Mühe daran erinnern, wann wir das letzte Mal einen derart gelungen, wissenschaftlichen Ansprüchen (damit sind hier nicht Fußnoten und Zitierweise gemeint!) genügenden Aufbau in einem Buch eines Juristen vorgefunden haben.

Trotz des Titels „… für Juristen“ sind ein Großteil der Tipps im Hauptteil des Buches jedoch eher genereller Art. Hier könnte der Autor aus unserer Sicht noch tiefer ins Detail gehen und sich noch stärker der juristischen Spezifika wie des Umgangs mit Lösungsschemata, mit der Stofffülle, mit Meinungsstreits, mit der Generalisierung von fachspezfischem Wissen und der Frage, wie man diese „Fremdsprache“ Juradeutsch am besten erlernt, annehmen. Außerdem werden die Lehrformen jenseits der Vorlesung eher stiefmütterlich behandelt. Arbeitsgemeinschaften beispielsweise, die meist von jungen und motivierten, für neue didaktische Lehrformen vl. noch eher offenen Mitarbeitern (bitte verzeiht uns unsere Vorurteile!) durchgeführt werden, sind nicht extra behandelt, obwohl sie einer ganz anderen Form folgen. Hier bedarf es daher ebenfalls konkreter Handlungsanweisungen, um Fallbesprechungen à la „Und wie könnte ein Obersatz lauten?“ oder „Was haben Sie im Gliederungspunkt C. III. a i) geschrieben?“ zu verhindern. Auch die Klausurbesprechung läuft anders als eine gewöhnliche Vorlesung und stellt meist ein Viertel aller Veranstaltungen einer großen Übung dar. Das etablierte didaktische Konzept beschränkt sich jedoch meist nur auf: „Und hier hätten Sie schreiben müssen: ….“. Und nicht zuletzt, aus höchstpersönlicher Erfahrung: Was soll man tun, wenn man kompetenzorientierte Lehrformen anbietet, die immer – und das ist gerade kein Fehler – mit einem Weniger an Faktenwissen einhergehen, die Studierenden aber vermeintliche inhaltliche Vollständigkeit vorziehen und lieber „alles einmal gehört haben wollen“? Wir wissen, dass das Quatsch ist, aber es ist ein weit verbreiteter Quatsch. Soll also jeder Lehrreihe ein Exkurs in Lerntheorie und empirische Lehr- und Lernforschung vorangestellt werden oder gibt es bessere Lösungen hierfür?

Vielleicht ist für einige dieser Wünsche Zeit und Platz im Rahmen der zweiten Auflage, die wir dem Werk in jedem Fall wünschen.

Eickelberg, Jan M.: Didaktik für Juristen. Wissensvermittlung – Präsentationstechnik – Rhetorik, Verlag Franz Vahlen, München 2017, 213 Seiten, 24,90 €

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